Dr. Bernhard Bolech
Klaus Heinrich, geboren 1927 in Berlin, war studentisches Gründungsmitglied der Freien Universität Berlin und am dortigen religionswissenschaftlichen Institut von 1971 bis 1995 Professor für Religionsphilosophie. Noch in seinen letzten öffentlichen Verlautbarungen, kurz vor seinem Tod 2020, nannte er die Psychoanalyse eine jener konstitutiven Säulen, auf denen sein originäres Denken beruhte. Die psychoanalytische Herangehensweise, ihre das Triebleben einbeziehende Perspektive liefere das Instrumentarium für ein substantielles Verständnis der Herausbildung des Gattungssubjekts. So prägt die Freud’sche Theorie und Methode seine jahrzehntelangen Auseinandersetzungen mit vielfältigen Stoffen: Ob Religion, Mythologie, Kunst, Musik, Architektur, Philosophie oder Gesellschaftstheorie, prinzipiell ging es ihm um die Frage, wie diese gattungsgeschichtlichen Artefakte als formierende Kräfte der Gattung Mensch selbst zu begreifen sind – und in diesem Prozess Konflikte und Unbewältigtes hervorgebracht und zugleich verschleiert werden.
Menschheitsgeschichte imponiert in dieser Perspektive als schicksalhafte Verkettung scheiternder Verarbeitungsversuche, der Zivilisationsprozess als katastrophisches Verdrängungsgeschehen. Heinrichs analytisches Desiderat galt insofern der Bergung des Abhubs in den Manifestationen des Gesellschaftlichen – von ihren Anfängen bis in die Gegenwart, von den prähistorischen Faustkeilen über die Antike bis zur Signalsprache des Digitalen. Werke wissenschaftlicher Rationalität wie auch religiöse oder alltägliche Symbolbildungen unterliegen dieser Betrachtungsweise nach gleichermaßen Verdrängungsmechanismen. Mit diesem epistemologischen, über religionswissenschaftliche Themenstellungen hinausweisenden Forschungsprogramm hat Heinrich eine Methode der Analyse humaner Triebnatur aufgezeigt, die noch längst nicht erschöpft ist und einer angemessenen Würdigung harrt.
Das Forschungsprojekt widmet sich der Sammlung, Aufbereitung und Verbreitung des veröffentlichten wie auch unveröffentlichten Werks Klaus Heinrichs. Dieses liegt primär in Form mitgeschnittener und teilweise (unvollständig) transkribierter Vorlesungen vor, die Heinrich an der Freien Universität Berlin über mehrere Jahrzehnte hinweg in freier Rede hielt. Schrittweise wird ein Archiv zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit seinem Werk entwickelt. Der werkerschließenden, editorischen Tätigkeit zur Seite steht eine inhaltliche Beschäftigung mit dem vielschichtigen Oeuvre. Dieses auch historisch einzurahmen, unternehmen biographische und zeithistorische Untersuchungen (Universitäts- und Ideengeschichte der Nachkriegszeit). Intention des Forschungsvorhabens ist auch, die Rezeption dieses großen unbekannten Bekannten der deutschen Nachkriegsgeschichte in der Religions- und Kulturphilosophie zu würdigen. – »Nichts, woran Sie sich erinnern können, ist vorbei« (Klaus Heinrich).
Prof. Dr. Christine Kirchhoff, IPU Berlin
Benedikt Salfeld, M.A., IPU Berlin
Klaus und Renate Heinrich-Stiftung
ça ira-Verlag
Projektbeginn: 04/2023
Projektende: 03/2033