Psychoanalyse als Tanz - Ästhetik und Performanz von Bruchelementen

gefördert durch die IPU (Anschubfinanzierung)

Leitung IPU

Prof. Dr. Andreas Hamburger

Projektbeschreibung

Unser interdisziplinäres Projekt beschreibt anhand von multiperspektivischen Untersuchungen die performativen Signaturen von Psychotherapiesitzungen.
Gegenstand unserer Forschung sind Interaktionsphänomene, die sich in Anlehnung an das Konzept der Begegnungsmoment (moments of meeting nach Daniel Stern 2004) dadurch auszeichnen, dass sie irritieren, überraschen und durch Veränderungen in Ausdruck und Erleben gekennzeichnet sind.

In der Pilotphase wurden zunächst verfahrens- und erkenntnisgenerierende Verschränkungen von Psychoanalyse, Psychologie, Bewegungsanalyse und Tanzwissenschaft exploriert.

Ziele unserer Studie in der Pilotphase waren:
1. die temporale und intermodale Struktur dieser Momente zu verstehen und zu typisieren;
2. Hypothesen über die Relevanz dieser Momente im psychotherapeutischen Prozess zu bilden und eine Hermeneutik zu entwickeln;
3. ein interdisziplinäres Instrumentarium zur Erfassung dieser Momente zu entwickeln;

Wir arbeiten in einem interdisziplinären Team und führen verschiedene Erhebungsmethoden zusammen. Dies sind:

Verbal:

  • SNMA (Szenisch-Narrative Mikroanalyse, Hamburger, 2017); hermeneutisch-psychoanalytisches Gruppenverfahren zur Identifikation von Now Moments;
  • GÉVA (Grille de l’Élaboration Verbale de l’Affect, Bouchard 1997): Erhebung der in der verbalen Sprache ausgedrückten Affektmentalisierung;
  • FIEM-P & T: Fragebogen zur Erfassung subjektiv wichtiger und anderer emotionsbezogener Ereignisse anhand subjektiver Erinnerungen von Patient*Innen und Therapeut*Innen direkt nach der Sitzung (Krupp 2021);

Nonverbal:

  • NEUROGES©, (Lausberg, Sloetjes, 2009): Kodierung von Sprechbegleitbewegungen;
  • Laban Movement Analysis LMA (Laban, 1975; Kennedy, 2013): Bewegungsanalyseverfahren zur Erhebung von Antrieb, Form Eigenschaft sowie zur Körperteilbeteiligung, Phrasierung und räumlichen Orientiertheit im Bewegungsverhalten;
  • tanzwissenschaftliche Deskription und Interpretation von Bewegung und Setting (Heller, 2022);
  • 3RS (Rupture Resolution Rating System nach Safran & Muran, 2009, Eubanks et al., 2015) Untersuchung der therapeutischen Allianz anhand s.g. Bruchmomente und Resolution-Strategien;

Subliminal:

  • Ermittlung von Arousal- und Synchronisierungsereignissen anhand der Herzratenvariabilität, elektrodermale Aktivität;
  • Prosodie: Untersuchung der Lautebene auf Synchronie, sowie Satzmelodie, Sprechtempo, Sprechrhythmus und Intensität;

 

Studiendesign:
Sample: N=1, drei Sitzungen einer tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie

Wir konnten zeigen, dass es in den von uns untersuchten Psychotherapiesitzungen Sequenzen gibt, die von unabhängigen Methoden übereinstimmend, als auffällig, evident beziehungsweise als Bruch konzipiert werden. Wir verstehen diese Sequenzen als bedeutsam und „embodied“ und untersuchen ihr Auftreten im psychotherapeutischen Prozess, sowie ihre multimodale Struktur.

Aktuell befinden wir uns in einer zweiten Forschungsphase, die sich an das Pilotprojekt anschließt. Wir untersuchen, die multimodale Struktur der relevanten Bruch- und Begegnungsmomente im Verlauf einer Therapie. Hierfür vergleichen wir den Beginn und das Ende einer tiefenpsychologisch fundierten Langzeittherapie.

Originalsprache: Deutsch, Englisch

Projektbeteiligte

Dr. Jasmin Spiegel (Martin Buber Society of Fellows, Hebrew University Jerusalem)
Dr. Veronika Heller (IPU Berlin) 
Karolin Blattmann (IPU Berlin) 
Chawwah Grünberg (Universität Witten-Herdecke) 
Jurian Krupp (IPU Berlin) 
David Schneeweiß (IPU Berlin) 
Onur Tulum (Istanbul Bilgi University) 
Dr. Lena Maria Splinter (LMU München)

Laufzeit

Projektbeginn: 09/2020
Projektende: 12/2025