Aufgrund der sich zuspitzenden Klimakrise organisiert das Green Office der Internationalen Psychoanalytischen Universität Berlin (IPU) im kommenden Wintersemester im Zeitraum von Anfang Oktober bis Ende November eine Veranstaltungsreihe zur Klimakrise an der Schnittstelle von Psychoanalyse, Soziologie und Ökonomie/Politik.
Im Rahmen vielfältiger Formate – Vorlesung, Podiumsdiskussion und Workshop – werden hoch aktuelle und spannende Themen aufgegriffen, die Fragen um den Zustand des modernen Subjekts innerhalb der Klimakrise Raum geben.
Berühren möchte die Vortragsreihe im Rahmen von Vorlesungen, Podiumsdiskussionen und einem spannenden eintägigen Workshop Fragen wie:
Was ist der aktuelle Stand der Wissenschaft? Wo stehen wir gerade im Hinblick auf die sogenannten tipping points? Was sind ökologische Grenzen und wo besteht potenzieller Raum zur Veränderung? Wie blicken Kinder und Jugendliche auf die Klimakrise – welche (unbewussten) Gefühlen und Fantasien begleiten das Aufwachsen und Erwachsenwerden unter diesen Umständen? Inwiefern nehmen Kinder und Jugendliche Einfluss auf ihre Zukunft, welche Vorstellungen vertreten sie dabei? In welcher Weise sind kapitalistische Logiken und Funktionsweisen mit dem Verlust natürlicher Lebensgrundlagen und dem zunehmenden Abbau von Ressourcen verbunden? Welche alternativen Wirtschaftssysteme existieren, um den destruktiven Folgen des Kapitalismus entgegenzuwirken? Wie kann man die teilweise subtilen aber wirkmächtigen Logiken der neoliberalen Leistungsethik - ethics of performativity - verstehen und wie hängen sie mit grundlegenden (unbewussten) psychischen Prozessen sowie Gefühlszuständen des modernen Subjekts zusammen? Welche Form des Aktivismus wirkt wie? Welche Auswirkungen haben Protestbewegungen auf den sozialen Wandel? Und wie sieht die Arbeit mit Klimaaktivist*innen aus?
Um sich den Fragen zu nähern haben wir eine Vielzahl an Vorträgen mit anschließender Diskussion, einen Workshop und eine Diskussionsrunde vorbereitet. Wir freuen uns auf viele neugierige und interessiert Gesichter sowie einen angeregten Austausch.
Das Green Office arbeitet daran, das Thema Nachhaltigkeit in allen Bereichen der IPU Berlin zu verankern. Wir setzen uns dafür ein, dass das Thema Nachhaltigkeit in der Universitätsgemeinschaft, in Forschung und Lehre, aber auch in Betrieb und Governance umgesetzt wird.
Interessierte sind jederzeit eingeladen, sich in Verbindung zu setzen: green.office(at)ipu-berlin.de
Gefördert durch die Stiftung zur Förderung der universitären Psychoanalyse
19.00 Uhr, Stromstr. 2, Hörsaal 1
Vortrag und Diskussion mit Prof. Dr. Florian Heyd (Berlin)
In dem Vortrag ‚Alles viel zu spät? Was kann die Wissenschaft (noch) tun, um dem Klimawandel entgegenzuwirken? werden zunächst einige chemische und biologische Grundlagen des Klimawandels erläutert und die gegenwärtige Situation und verschiedene Sichtweisen diskutiert. Dann werden ausgewählte Beispiele und aktuelle Entwicklungen aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen wie Chemie, Biochemie und synthetischer Biologie präsentiert, die gemeinsam einen Beitrag leisten könnten, der Klimakrise entgegenzuwirken.
Florian Heyd ist seit 2013 Professor für RNA-Biochemie an der FU Berlin. Das eigentliche Arbeitsgebiet von Professor Heyd ist die prä-mRNA-Prozessierung. Seit zwei Jahren bietet Professor Heyd gemeinsam mit KollegInnen die Vorlesung ‚Biochemistry and global warming‘ an. Ziel dieser Lehrveranstaltung ist es, den Studierenden verschiedene molekularbiologische und biochemische Aspekte der Klimakrise näherzubringen. Das noch wichtigere Ziel ist zu zeigen, dass Biochemie und Molekularbiologie Disziplinen sind, die entscheidend dazu beitragen könnten, die Folgen der Klimakrise abzumildern und junge WissenschaflerInnen zu ermutigen, aktiv in diesem Gebiet zu forschen und die gegenwärtige Situation nicht als unumkehrbar hinzunehmen.
19.00 Uhr, Stromstr. 2, Hörsaal 1
Vortrag und Diskussion mit Kathrin Hörter (München)
Die weltweite Studie von Marks, Hickman et al. (2021) belegt deutlich, dass Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene von den Folgen der Klimakrise in ihrem Heranwachsen besonders belastet sind. Junge Menschen reagieren auf die aus den drastischen klimatischen Veränderungen folgenden Herausforderungen einerseits mit Aktivität, Zusammenschluss und Solidarität, aber andererseits mit „Klimaangst“, Rückzug, Hoffnungslosigkeit und Depression. Auch in der psychotherapeutischen Praxis werden belastende „Klimagefühle“ und entsprechende Sorgen und Nöte von jungen Patient*innen artikuliert und es ist notwendig, sich damit zu beschäftigen, wie hierauf adäquat reagiert werden kann und in welcher besonderen Verantwortung die Profession der Psychotherapeut*innen möglicherweise steht.
Hinzu kommt, dass es als deutlicher Bruch in der Generationen-Gerechtigkeit verstanden werden kann, den heute Heranwachsenden eine Umwelt zu hinterlassen, die von den Generationen vor ihnen in zentralen Bereichen massiv beschädigt wurde. Die Psychoanalyse als gesellschaftskritische Theorie kann uns hier Reflexionsperspektiven an die Hand geben, die ein Erklärungsmodell dafür liefern, warum dieser Bruch mehrheitlich in Kauf genommen wird, statt Verantwortung zu übernehmen und gegenüber den jüngeren Generationen fürsorglich zu handeln.
Dr. phil. Kathrin Hörter, Studium der Psychologie mit Vertiefung von Reflexiver Sozialpsychologie / Gemeindepsychologie (Prof. Heiner Keupp) & Psychoanalyse (Prof. Wolfgang Mertens) an der LMU München, Abschluss 2001 mit Diplom. Promotion: Die Frage der Kultur. Interkulturalität in Theorie und Praxis der Psychoanalyse (VS / Springer 2011). Verschiedene Tätigkeiten im Rahmen der Jugendhilfe, universitäre Lehraufträge und Fortbildungstätigkeiten. Psychotherapeutin und Psychoanalytikerin für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in eigener Praxis in München (Münchner Arbeitsgemeinschaft für Psychoanalyse e.V.). Mitglied des Geschäftsführenden Vorstandes der MAP e.V. Mitglied der Association for Child Psychoanalysis (ACP). Mitglied der Psychologists / Psychotherapists 4 Future.
19.00 Uhr, Stromstr. 2, Hörsaal 1
Vortrag und Diskussion mit Dr. Athanasios Karathanassis (Hannover)
Wenn von Naturzerstörungen, vom Klimawandel oder Umweltschutz die Rede ist, geht es sowohl in öffentlichen Diskursen als auch im wissenschaftlichen „Mainstream“ zumeist um Fragen der technischen „Beherrschbarkeit“ von Natur, wobei insbesondere die Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz thematisiert wird, um gesetzliche Forderungen oder um normative und moralische Leitbilder, aus denen die Schonung der Natur folgen soll.
Die zumeist ausgeblendeten oder verkürzt gestellten Fragen sind die nach den politisch-ökonomischen Ursachen kapitalistischer Naturverhältnisse und daran anknüpfend nach alternativen Postwachstumskonzepten. In welchem Zusammenhang steht die Praxis des kapitalistischen Systems und die ihr zu Grunde liegenden Logiken mit den gegenwärtigen Prozessen des Naturraubbaus und der Vernichtung der natürlichen Lebensgrundlagen, und welche Rolle können Postwachstumsökonomien vor diesem Hintergrund spielen?
Dr. phil. Dipl.-Pol. Athanasios Karathanassis, Politik- und Sozialwissenschaftler, lehrt z.Zt. an der Leibniz Universität Hannover u.a. mit den Arbeitsschwerpunkten Politische Ökonomie, Globalisierung, gesellschaftliche Naturverhältnisse, Krisenentwicklungen und Soziale Bewegungen.
10.00-16.00 o´clock. Alt-Moabit 91b Room 03a+03b
Workshop with Paul Hoggett (Bristol)
In this one day workshop Paul Hoggett, one of the pioneers in the field of climate psychology, will examine the proposal that the climate and ecological crisis also corresponds to a crisis of the self. Far from being a universal phenomenon the self is a product of modernity. Three fundamental fractures characterise the self and the workshop will explore how they affect our relations with nature, with other selves and with our own creaturely nature. The many ways in which we engage in denial of this dual crisis will be examined and connections will be made to the rise of authoritarianism and the crisis of liberal democracy. Finally the workshop will consider the implications for clinical practice both inside and outside the consulting room.
Paul Hoggett is a psychoanalytic psychotherapist and Emeritus Professor of Social Policy at UWE, Bristol. In 2012 he cofounded and was the first chair of the Climate Psychology Alliance, a network of climate concerned therapists which now has affiliates in many countries. In 2019 he edited Climate Psychology: On Indifference to Disaster (Palgrave Macmillan), a volume of research papers from his own and other doctoral students. In 2022, with Wendy Hollway, Chris Robertson and Sally Weintrobe he authored Climate Psychology: A Matter of Life and Death (Karnac). His most recent book Paradise Lost? The Climate Crisis and the Human Condition was published by the Simplicity Institute in 2023.
19.00 Uhr, Stromstr. 2, Hörsaal 1
Vortrag und Diskussion mit Felix Anderl (Marburg), Birgit Zech (Aichach), Michael Bilharz (Berlin). Moderiert von Max Nahrhaft (Berlin)
Spätestens seitdem die Klimastreik-Bewegung Fridays for Future publiker geworden ist, ist auch bei den heutigen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen der sogenannte Klima Aktivismus Thema geworden. Nicht zuletzt sorgte die letzte Generation, auch bekannt als “Klimakleber” bei diversen Aktionen, angefangen bei Straßenblockaden bis hin zu der Lahmlegung mehrerer Flughäfen, für viel Aufruhr und Diskussion. Die Arten des Aktivismus werden wieder diverser und haben unterschiedliche Auswirkungen auf die Gesellschaft. Inwiefern die jeweiligen Arten wirken, wie die Arbeit mit Klimaaktivist*innen aussieht und wie es ist selbst.
Felix Anderl ist Professor für Konfliktforschung. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Konflikte um Land, Ernährung und ländliche Entwicklung. Dabei verknüpft er die Disziplinen der Sozialen Bewegungsforschung, der Internationalen Beziehungen und der Konfliktforschung und legt dabei Wert auf intensive Feldforschung, etwa in der teilnehmenden Beobachtung in sozialen Bewegungen und den Institutionen, gegen die sie sich erheben.
Birgit Zech, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin (tiefenpsychologisch fundiert) in eigener Praxis bei Augsburg. Sie ist in der ehemaligen DDR aufgewachsen und hat da die Zeit der Wende aktiv erlebt und mitgestaltet. Dieses Erlebnis war für sie prägend, sowohl das Erlebnis sozialer Kippunkte auch die Wirksamkeit von Engagement. Seitdem ist es ihr wichtig, sich in gesellschaftlichen Kontexten zu engagieren, sei es bei Amnesty International, in der Unterstützung von geflüchteten Menschen oder seit Ende 2019 in der Klimagerechtigkeitsbewegung bei den Psychologists for Future. Dort engagiert sie sich seit fast 5 Jahren in ganz unterschiedlichen Kontexten, seit mehr als einem Jahr auch als Mitglied des Vorstandsteams. Sie ist sehr aktiv in der Unterstützungs AG, in der Aktivist*innen in Einzelstunden beraten werden, viele Workshops und Vorträge zu Themen wie nachhaltiger Aktivismus, Selbstfürsorge, Burnout Vorbeugung, aber auch viele Gesprächsrunden zur emotionalen Verarbeitung der Klimakrise bis hin zu ganzen Retreats in Klostern angeboten werden. Ein wichtiger Schwerpunkt ihrer Arbeit dabei ist auch die emotionale Unterstützung bei direkten Aktionen, sei es bei den Rebellion Waves von XR, in Lützerath oder auch Aktionen der Letzten Generation oder Scientist Rebellion.
Dr. Michael Bilharz arbeitet seit 2008 am Umweltbundesamt. Als Allrounder in Sachen nachhaltiger Konsum verantwortet er den UBA-CO2-Rechner und das UBA-Verbraucherportal. Zuvor hat er die Big Points und Key Points nachhaltigen Konsums „erfunden“. Ehrenamtlich ist er Vorstandssprecher des bundesweit tätigen Vereins „3 fürs Klima“, leitet das Klimaschutzprojekt „KliX3“ und war Initiator von dieKlimawette.de und 2021 dafür 100 Tage mit dem Lastenrad quer durch ganz Deutschland unterwegs.
Max Nahrhaft, M.A. Politik- und Sozialwissenschaften, promoviert aktuell in Frankfurt am Main zu bürgerlichen Bewusstseins- und Subjektivierungsformen angesichts der Klimakatastrophe.
Anmeldung
Der Eintritt ist frei.
Wir freuen uns, Sie an der IPU begrüßen zu dürfen.