Unter dem Titel »Bilder, Bewältigung und Erinnerungskulturen« laden die IPU Berlin und AMCHA Deutschland e. V. – nach »Transgenartionalem Trauma begegnen« (2024) – auch in diesem Jahr zu einer gemeinsamen Vortragsreihe ein. Beleuchtet werden die Wechselwirkungen von transgenerationalen Traumata, Erinnerungskultur und psychosozialer Verantwortung im Kontext kollektiver Gewalt. Am 21. Oktober ist um 19 Uhr Dr. Matthias Heyl zu Gast und mit seinem Vortrag »Erinnerungskultur, immanente Formen der Abwehr und (transgenerationales) Trauma: Widerstände, Abspaltungen, Traumata und andere ›Gefühlserbschaften‹ in der erinnerungskulturellen Praxis der Gedenkstätte Ravensbrück. Ein Werkstattbericht.«
1959. Auf dem vorläufigen Höhepunkt einer antisemitischen Welle spricht Theodor W. Adorno vor einer „Erzieherkonferenz“ der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Frankfurt/M. über die damaligen Herausforderungen einer „Aufarbeitung der Vergangenheit“. 2025 sind die gesellschaftlichen Verhältnisse zwar andere, aber bei weitem nicht besser. Mit Wucht ist die mehrfache Zeitenwende auch „im deutsch-jüdischen Gedächtnistheater“ (Bodemann, Czollek) angekommen stellt zeitweilig sicherer geglaubte Standards erreichter „Reife“ in Frage. Aber: „Reife ist eine Kategorie für Melonen, nicht für Menschen“ (Hans Keilson). Das „Unbehagen an der Erinnerungskultur“ greift Raum in der „erinnerungskulturellen ,Volksgemeinschaft‘“. Welche Folgen haben der 7. Oktober 2023 und die parlamentarischen Erfolge einer explizit rechtsextremistischen Partei in Deutschland für die erinnerungskulturelle Praxis? Und was können gesellschafts- und psychoanalytische Perspektiven zum Verständnis des aktuellen Überforderungsszenarios beitragen? Der Vortrag bewegt sich gleichermaßen assoziativ wie seriös zwischen „wilder Analyse“ und „Memory Punk“, zwischen Kritischer Theorie und psychoanalytischen, tiefenhermeneutischen Deutungen. Eine „Zumutung“, die vor Ort entsteht.
Dr. Matthias Heyl hat Geschichte, Psychologie und Erziehungswissenschaft studiert und wurde 1997 mit einer Arbeit zum Thema “Erziehung nach Auschwitz. Eine Bestandsaufnahme. Deutschland, Niederlande, Israel, USA” an der Universität Hamburg promoviert. Seit 2002 ist er Leiter der Bildungsabteilung der Gedenkstätte Ravensbrück. Letzte Veröffentlichung: Vermischte Schriften. Erziehung nach/über Auschwitz. Bildung nach Ravensbrück. Berlin 2025. Metropol Verlag.
Die IPU Berlin organisiert diese Reihe zusammen mit Amcha Deutschland e. V. Seit mehr als 35 Jahren unterstützt Amcha Deutschland e. V. die psychosozialen Angebote der Schwesterorganisation Amcha in Israel für Überlebende der Shoah und deren Nachkommen. Im Jahr 2025 adressiert Amcha Deutschland zentrale Herausforderungen in der psychosozialen Versorgung, der internationalen Vernetzung und der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit den transgenerationalen Folgen kollektiver Gewalt. Angesichts der deutlichen Zunahme von Antisemitismus und Antiziganismus sollen die generationenübergreifenden Folgen von Gewalt sichtbarer gemacht und in der öffentlichen Debatte stärker verankert werden. Das Verständnis für die Bedeutung transgenerationaler Traumata soll vor dem Hintergrund des 80. Jahrestages des Kriegsendes in Europa und der rasant abnehmenden Zahl von Augenzeug:innen der geschichtlichen Ereignisse vertieft und die gesellschaftliche Verantwortung für einen nachhaltigen Umgang mit dem Thema gestärkt werden.
Wann?
Dienstag, 21. Oktober 2025, 19 Uhr
Weitere Termine am:
Wo?
Hörsaal 4 der IPU Berlin in der Alt-Moabit 91b, 10557 Berlin (2. OG)
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1964. Zum Soundtrack von Quincy Jones spielt Rod Steiger den Sol Nazermann in Sidney Lumets „Pawnbroker“. Mit Wucht durchlebt ein bestürztes Publikum die Qualen des Traumas durch die Augen der Hauptfigur. Unmittelbar wird dieser Film zum Maßstab für visuelle Darstellung und filmische Umsetzung von Trauma und Gewalterfahrung. Zeitgleich sind längst Nazi-Porn-Hefte populär geworden: von Überlebenden gezeichnet, kursieren sie unter dem Ladentisch. Dieser Vortrag diskutiert und analysiert ausgewählte Beispiele künstlerischer und populärer Arbeiten und ihre Auseinandersetzung mit traumatischen Erfahrungen. Wie gelingt es Künstler*innen Traumata in visuelle Sprache zu überführen? Welche Metaphorik nutzen sie und welche Verschiebungen manifestieren sich im Vergleich der Arbeiten Überlebender und der ihrer Nachfolgegenerationen? Der Vortrag bietet einen Einblick in die facettenreiche Forschung zu künstlerischen Produktionen und Techniken der Konfrontation von Gewalterfahrung und Trauma.
Dr. Juliette Brungs hat Germanistik, Kunstgeschichte und Film- und Medienproduktion studiert, 2013 zum Thema "Performance-Kunst jüdischer Künstlerinnen in Deutschland" an der University of Minnesota in Minneapolis (USA) promoviert und war vier Jahre Fellow und Mitglied der psychoanalytischen Association APSA. Sie ist Vorstandsmitglied von AMCHA Deutschland e.V., Mediatorin, systemische Beraterin und politische Bildnerin. Zurzeit arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Magdeburg-Stendal und forscht zu jüdischem Leben in Sachsen-Anhalt.