Kulturelle Inszenierungen sexueller Grenzüberschreitungen und moralischer Grenzziehungen im Kontext von #MeToo (Habilitationsprojekt)

gefördert durch Anschubfinanzierung der IPU Berlin

Leitung IPU

Dr. Sonja Witte

Projektbeschreibung

Die Hashtagkampagne #MeToo entzündete 2017 eine weltweite Debatte. Seit den skandalträchtigen Missbrauchsvorwürfen gegen Prominente werden mittlerweile mit dem Stichwort #MeToo Auseinandersetzungen um diverse Phänomene sexueller Gewalt und geschlechtsspezifischer Machtungleichheiten in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen verbunden. Zunehmend greifen auch ästhetische Produktionen und Diskussionen um Ästhetisierungen von Sexualität und Geschlechterverhältnissen #MeToo auf, was dezidiert bislang wenig untersucht wurde. Die kulturwissenschaftliche Studie erforscht, inwiefern und auf welche Weise sich in der #MeToo-Debatte auf dieser ästhetischen Ebene Konflikte und widersprüchliche Dynamiken der gegenwärtigen Sexualkultur zeigen.

Das Untersuchungsmaterial umfasst Fallbeispiele z.B. aus den Bereichen Literatur, Film, Kunst und social media. Diese verhandeln in kontroverser Weise zentrale Themen der Debatte (z.B. Scham, Viktimisierung, Grauzonen sexueller Gewalt) und setzen dabei sexuelle Grenzüberschreitungen und moralische Grenzziehungen jeweils unterschiedlich in Szene. Die Fragestellung des Projekts bezieht die Fallanalysen auf einen spezifischen Aspekt des Wandels westlicher Sexualkultur: Die Verhandlungsmoral, die in der Sexualitätsforschung als normatives Paradigma liberalisierter westlicher Sexualkultur begriffen wird. Forschungsbefunden zufolge manifestieren sich gegenwärtig in der #MeToo-Debatte auch gegenläufige Tendenzen. Vor diesem Hintergrund folgt das Projekt der Fragestellung: Wie wird dieses Spannungsfeld in ästhetischen Produktionen und Diskussionen um Ästhetisierungen aufgegriffen? Welche widersprüchlichen Tendenzen weisen die Darstellungsweisen, Deutungsmuster und aufgerufenen Vorstellungen und Affekten auf? Und welche Rückschlüsse können daraus hinsichtlich der diagnostizierten Durchsetzung der Verhandlungsmoral gewonnen werden?

In der Herangehensweise kommt ein psychoanalytisch ausgerichtetes Close-Reading zum Einsatz, mit dem – bisher in Bezug auf #MeToo weitgehend unberücksichtigt gebliebene – kulturelle unbewusst-konflikthafte Dynamiken analysiert werden. Das Ziel ist es, Aufschluss über die Wirkungsweisen widersprüchlicher gesellschaftlicher Dynamiken in der #MeToo-Debatte und gegenwärtig wirksamer Konflikte in der Durchsetzung des verhandlungsmoralischen Paradigmas zu geben. Damit kann zu einem differenzierteren Verständnis des gegenwärtigen Wandels der Sexualkultur beigetragen werden.

Originalsprache: Deutsch

Laufzeit

Projektbeginn: 01/2019
Projektende: 01/2024