Psychoanalyse und Gender

Beiträge aus der IPU zur Genderdebatte

Es ist eine Kontroverse, die längst auch ein genaueres Hinsehen der Psychoanalyse notwendig macht: Die Debatte um den Begriff und das Konzept „Gender“. Wenngleich das Wort medial und wissenschaftlich in vieler Munde geführt wird, ist häufig unklar, worüber genau gesprochen wird.

„Ein einheitliches Verständnis existiert nicht, die Interpretationsspielräume sind groß“, schreibt Bernd Ahrbeck in der Einleitung zum im September im Psychosozial-Verlag erscheinenden Sammelband zur Thematik. Der IPU-Professor für Psychoanalytische Pädagogik ist einer von drei Herausgeber/-innen von „Gender in der Psychoanalytischen Pädagogik – eine notwendige Kontroverse“.

„Insgesamt geht es in dem Buch um eine moderate Position, die abwägt und Radikales vermeiden will“, erklärt Ahrbeck. Eine radikale Haltung zum Thema ist zum Beispiel die Vorstellung, das eigene Geschlecht könnte vollständig frei gewählt oder konstruiert werden. Den Gegenpol bildet die Annahme, die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht sei eine biologische Frage.

Ilka Quindeau, die ab dem Wintersemester 2018/2019 die Präsidentschaft der IPU Berlin übernimmt, fordert in ihrem Beitrag „Von normativen Identitätsvorstellungen zur Ambiguitätstoleranz“, die Zweiteilung der Geschlechter infrage zu stellen. Die psychoanalytischen Sexualtheorien müssten überdacht werden.

Andererseits, führt Ahrbeck aus, ließen sich manche Unterschiede zwischen den Geschlechtern schlicht nicht wegdiskutieren: „Der längste Zeugungsakt ist im Vergleich zur Schwangerschaft relativ kurz, so sage ich manchmal etwas flapsig, um zu zeigen, wie sehr sich die Geschlechter in ihrem Erleben unterscheiden.“ Stillen, Geburt, Abtreibung – das können Männer nicht erfahren. In der französischen Psychoanalyse werde dieser Umstand als „symbolische Kastration“ bezeichnet: „Wer ein Mann ist, muss entdecken und anerkennen, dass er keine Frau ist, ihm etwas fehlt. Er muss anerkennen, dass nicht alles möglich ist.“

Nach wie vor gilt: Die Sexualität ist ein zentraler Begriff der Psychoanalyse und sexuelle Vielfalt ist ein unbestrittenes Faktum im Buch. Das Besondere an diesem Sammelband ist, dass er unterschiedliche Positionen zusammenbringt und ideologische Grabenkämpfe vermeidet. Dadurch kann ein fruchtbarer Dialog eröffnet werden, der in der Debatte häufig fehlt. Kritisches Hinterfragen, Abwägen und Vermitteln, das sind traditionelle Herangehensweisen in der Psychoanalyse. Sie sollten auch im Genderdiskurs zum Tragen kommen.