Ein gemeinsames Graduiertenkolleg einer staatlichen und einer privaten Universität, das ist etwas Besonderes. Im Rahmen des Themas "Traumata und kollektive Gewalt: Artikulation, Aushandlung und Anerkennung" fördern die Köhlerstiftung und die Stiftung zur Förderung der universitären Psychoanalyse mit jeweils drei Stipendien Promotionsprojekte. Dahinter steht die bereits seit 2021 bestehende Kooperation des Hans Kilian und Lotte Köhler-Centrums für sozial- und kulturwissenschaftliche Psychologie und historische Anthropologie (KKC) der Ruhr-Universität Bochum mit der IPU Berlin.
Die insgesamt sechs geförderten Stipendiat:innen beschäftigen sich in ihren Promotionsarbeiten mit verschiedenen Themen mit kulturpsychologischem und psychoanalytischem Fokus. Die Ausrichtung des Graduiertenkollegs beinhaltet darüber hinaus Perspektiven aus der Philosophie, Soziologie, Ethnologie, den Geschichts-, Literatur- und Medienwissenschaften sowie inter- und transdisziplinärer Felder wie den Cultural, Gender, Postcolonial, Religious Studies oder der kritischen Migrations- und Rassismusforschung.
Der Traumabegriff ist dabei zentraler Bezugspunkt, in Angrenzung an die Klinische Psychologie und Psychotraumatologie, damit aber auch als "traveling concept", wie Prof. Dr. Jürgen Straub bei der Eröffnung des Kollegs betonte. Er leitet das Graduiertenkolleg gemeinsam mit Prof. Dr. Andreas Hamburger von der IPU. Ein "traveling concept" bezeichne, dass ein Begriff in verschiedene Wissenschaften und Diskurse "wandert" und sich dadurch seine Bedeutung vervielfältige. "Wenn Sie heute traumatologische Publikationen aufschlagen, dann ist immer noch relativ klar, was man unter einem Trauma versteht. Heute kann aber alles Mögliche darunter verstanden werden und es wird regelmäßig der Vorwurf geäußert, der Begriff verwässere zunehmend", so Straub. "Ich denke allerdings, wir sollten den Begriff nicht nur tadeln und damit an einer Art Sprachsgebrauchsnormierung arbeiten. In unseren Projekten sollten wir uns auch die alltagssprachlichen und ungenauen Verwendungen des Begriffs genau anschauen. Wir sollten sie verstehen als Indizes oder Symptome für Phänomene, die es wert sind betrachtet zu werden." Die Verwendung des Begriffs zeige insofern auch an, was nicht genau gesagt werden könne, dessen Erforschung sich aber dennoch lohne.
Zur Eröffnungsfeier des Graduiertenkollegs am 28. Januar 2023 war der Migrationsforscher Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani zu Gast und hielt einen Vortrag mit dem Titel "Zwischen Diskriminierung und Anerkennung: Potentiale und Herausforderungen in der superdiversen (Klassen-)Gesellschaft". Vor dessen Hintergrund kam er danach ins Gespräch mit den sechs Promotionsstipendiat:innen, moderiert von Prof. Dr. Andreas Hamburger. Der Vortrag kann als Video angesehen oder als Audio angehört werden.
3. Februar 2023