Das vermessene Leben-Produktive und kontraproduktive Folgen der Quantifizierung in der digital optimierenden Gesellschaft

gefördert durch die Volkswagenstiftung in der Förderlinie Schlüsselthemen in Wissenschaft und Gesellschaft

Leitung IPU

Prof. Dr. Benigna Gerisch

Leitung extern

Prof. Dr. Vera King (Sprecherin; Goethe-Universität und Sigmund-Freud-Institut Frankfurt a.M.)
Prof. Dr. Hartmut Rosa (Friedrich-Schiller-Universität Jena und Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien Erfurt)

Projektbeschreibung

Gegenstand des Projekts sind die ambivalenten Folgen einer in hohem Maße auf quantitative Steigerung ausgerichteten Optimierungslogik, wie sie im Zuge des digitalen Wandels an Bedeutung gewonnen hat. Mittels eines dreigliedrigen Projektdesigns sollen produktive und kontraproduktive Dimensionen der ‚Orientierung an der Zahl‘ und der Vermessung des Lebens im Kontext von organisationalen und individuellen digitalen Optimierungsprozessen und hinsichtlich ihrer intersubjektiven und psychischen Bedeutungen untersucht werden.

Das Projekt baut somit auf das von der VolkswagenStiftung im Rahmen seines Programms ‚Schlüsselthemen für Wissenschaft und Gesellschaft‘ geförderte Projekt „Aporien der Perfektionierung in der beschleunigten Moderne. Gegenwärtiger kultureller Wandel von Selbstentwürfen, Beziehungsgestaltungen und Körperpraktiken“ (APAS) auf, das die Bedeutung und Folgen der Anforderungen an Optimierung sozialer Praxis in unterschiedlichen gesellschaftlichen Feldern und Lebensbereichen und mit Blick auf Veränderungen kultureller Normen und Konstrukte von ‚Normalität‘ und ‚Pathologie‘ erforscht hat.

Die Teilprojekte untersuchen dazu folgende Bereiche digital quantifizierender Optimierung:
Tp I (Jena): Die Bedeutung von und Orientierung an Zahlen in den Handlungspraktiken und Interaktionsmodi professioneller Organisationen.
Tp II (Frankfurt/M.): Die Bedeutung von und Orientierung an Zahlen, insbesondere in der Beziehungsgestaltung in Social Media in Relation zur nicht-digitalen und face-to-face- Kommunikation (Frankfurt) sowie in Relation zu PatientInnengruppen (Berliner Sample).
Tp III (Berlin): Die Bedeutung von und Orientierung an Zahlen unter besonderer Berücksichtigung der Körperpraxis von PatientInnen sowie in Relation zu Nicht-PatientInnen (Frankfurter Sample).

Das Projekt setzt in seiner dreigliedrigen transdisziplinären Untersuchungsanlage und mittels Methodentriangulation (quantitative und verschiedene qualitative Zugänge) den im APAS-Projekt erfolgreich eingeschlagenen Weg fort, Zusammenhänge zwischen verschiedenen Ebenen des Sozialen sowie die Spannung von Normierungen und Praxisveränderungen bis hin zu Überforderungs- und Pathologiepotenzialen zu analysieren sowie neue konzeptuelle und methodologische Zugänge zur Analyse der Vermittlungen von Gesellschaft und Individuum, Kultur und Psyche zu entwickeln.

Originalsprache: Deutsch

Laufzeit

Projektbeginn: 02/2018
Projektende: 11/2024

Publikationen

  • Vera King, Benigna Gerisch (Hg.) (2019). Doppelheft der PSYCHE- Zeitschrift für Psychoanalyse und ihre Anwendungen zum Thema Digitalisierung, 73. Jhg., 9/10.
  • Vera King, Benigna Gerisch, Hartmut Rosa, Julia Schreiber, Charlotte Findeis, Diana Lindner, -Benedikt Salfeld, Micha Schlichting, Maike Stenger und Stella Voigt (2019): Psychische Bedeutungen des digitalen Messens, Zählens und Vergleichens. PSYCHE 73: S. 744-770. elibrary.klett-cotta.de/article/10.21706/ps-73-9-744.
  • Vera King, Benigna Gerisch (2018): Selbstvermessung als Optimierungsform und Abwehrkorsett. Fallstudie eines begeisterten Self-Trackers. In: PSYCHOSOZIAL, Das sich vermessende Selbst – Self-Tracking und Lifelogging zwischen Spielerei und Subjektivierungsform, Oswald Balandis und Jürgen Straub (Hg.). 41. Jhg., 152: S. 35-46.Blattmann
  • King, V., Gerisch, B. & Rosa, H. (2019). Das vermessene Leben. Optimierung als Abwehrstrategie am Beispiel eines begeisterten ‚Self-Trackers‘. In M. Johne & R. Otte (Hrsg.), Übertragung – Szene – Mikroprozesse (S. 356 – 371). Gießen: Psychosozial.
  • Findeis, C., Salfeld, B., Voigt, S., Gerisch, B., King, V. & Ostern, A. R. (2021). Quantifying Self-Quantification. A Statistical Study on Individual Characteristics and Motivations for Digital Self-Tracking in Young- and Middle-Aged Adults in Germany. New Media & Society, 1-21.
  • King, V., Gerisch, B. & Rosa, H. (Hrsg.). (2021). Lost in Perfection. Zur Optimierung von Gesellschaft und Psyche. Berlin: Suhrkamp.
  • Franz, R., Gerisch, B., King, V. & Salfeld, B. (2022). Zwischen vulnerabler Empfänglichkeit und vermeidender Abgrenzung. Eine psychoanalytische Untersuchung der psychischen Verarbeitung von Selftracking bei Frauen mit Bulimie. In D. Burghardt & M. Krebs (Hrsg.). Verletzungspotenziale. Kritische Studien zur Vulnerabilität im Neoliberalismus (S. 173-192). Gießen: Psychosozial.
  • King, V., Gerisch, B., Schreiber, J., Lindner, D., Lodtka, P., Schlichting, M. & Stenger, M. (2021). Zum Sinn der Zahl in digitalen Lebens- und Arbeitswelten. Ambivalente Bedeutungen des Messens und Vergleichens. In C. Schnell, S. Pfeiffer & R. Hardenberg (Hrsg.), Gutes Arbeiten im digitalen Zeitalter (S. 109 – 126). Frankfurt a.M./New York: Campus.
  • King, V., Gerisch, B., Rosa, H., Schreiber, J., Findeis, C., Lindner, D., Salfeld, B., Schlichting, M., Stenger, M. & Voigt, S.  (2021). Optimierung mit Zahlen und digitalen Parametern. Psychische Bedeutungen des digitalen Messens und Vergleichens. In V. King, B. Gerisch & H. Rosa (Hrsg.), Lost in Perfection: Zur Optimierung von Gesellschaft und Psyche (S. 151 – 177). Berlin: Suhrkamp.
  • Gerisch, B. & King, V. (Hrsg.) (2023). Kultureller Wandel von Beziehungen, Begehren und Sexualität, Psychosozial, 46(173).
  • Salfeld, B., Franz, R., Gerisch, B. & King, V. (2023). Spiegelnde Anerkennung und narzisstischer Rückzug. Psychodynamische Strukturlogiken des Selftrackings bei Burnout und Depression. Journal für Psychoanalyse, 64, 34-50.
  • Schlichting, M., Stenger, M., King, V., Gerisch, B., Salfeld, B. & Schreiber, J. (2022). „Es hat schon so ein gewisses Suchtpotential“. Selbstvermessung als neue digitale Normalität. In A. Manzei-Gorsky, C. Schubert & J. von Hayek (Hrsg.). Digitalisierung und Gesundheit (S. 357 – 382). Baden-Baden: Nomos.
  • Stenger, M., Franz, R., Salfeld, B., Schlichting, M., Gerisch, B. & King, V. (2023). Beziehungsgestaltung im Kontext des digitalen Wandels. Zwei Fallstudien zu Social Media und Selftracking. Psychosozial, 46(173), 43-55.