Prof. Dr. Benigna Gerisch
Prof. Dr. Vera King (Sprecherin; Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft, Universität Hamburg)
Prof. Dr. Hartmut Rosa (Friedrich-Schiller-Universität Jena und Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien Erfurt)
Ausgangspunkt des Projekts ist der Befund, dass sich moderne Gesellschaften westlichen Typs dynamisch reproduzieren, d. h. auf stetigem Wachstum und Innovation basieren, und sich im Zuge dessen die Modi der Effektivitätssteigerung verändern. So impliziert dynamisches Wachstum nicht nur die Beschleunigung sozialer Prozesse, sondern erfordert permanente Optimierung sozialer Praxis in unterschiedlichen Lebensbereichen. Die verschiedenen, teils auch im Verhältnis zueinander strukturell entgegengesetzten Optimierungslogiken in differenten Teilbereichen müssen auf der Ebene individueller Lebensführung wiederum ausbalanciert und in diesem Sinne zu perfektionieren versucht werden.
Projektleitend ist somit die Annahme eines spezifischen Zusammenhangs von Beschleunigung, Optimierung und Perfektionierung, dessen Untersuchung auf verschiedenen Ebenen des Sozialen aussteht. Ausgehend von der Hypothese, dass die Anforderungen an perfektionierte Lebensführung biografische Muster und Bewältigungsformen begünstigen, die systematisch die Ressourcen sozialer Beziehungen und psychischer Verarbeitungskapazitäten zu unterminieren neigen, werden insbesondere die potentiell kontraproduktiven Folgewirkungen der Perfektionierungsansprüche untersucht. Aus dieser Sicht sind Zusammenhänge naheliegend zwischen (Aporien der) Perfektionierung und jenen Phänomenen, die als zeittypische Pathologien verstanden werden können, wie Erschöpfung und Überforderung sowie pathologisch übersteigerte Formen der (insbesondere körpermanipulierenden) Selbstoptimierung. Vor diesem Hintergrund sollen im Projekt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen alltäglichen biografischen Mustern der Optimierung und Perfektionierung und den Bewältigungsformen klinisch auffälliger Gruppen verglichen werden.
Dazu ist ein dreigliedriger, mehrdisziplinärer Zugang konzipiert, bei dem verschiedene qualitative und quantitative Methoden kombiniert werden. Im ersten Teilprojekt (Rosa) wird aus makrosoziologischer Perspektive die Matrix einer Zeit- und Gesellschaftsdiagnose erarbeitet, die im zweiten Teilprojekt (King) durch eine biografieanalytische Mikroanalyse unter Einbezug generationaler Aspekte von Sozialisationsprozessen sowie psychischen Verarbeitungsmustern weiter ausdifferenziert wird, während im dritten Teilprojekt (Gerisch) die Auswirkungen auf den Ebenen des Psychischen mit Blick auf die Umschlagstelle von Selbstoptimierung und Autodestruktion fokussiert werden.
Der innovative Gewinn dieses dreigliedrigen Forschungsansatzes liegt übergreifend in der Möglichkeit, den sozialtheoretisch offenen Fragen zur komplexen Vermittlung von Sozialem und Individuellem im Kontext der dargelegten kulturellen Wandlungsprozesse nachgehen zu können. Entsprechende Ergebnisse sind sowohl für die Sozialisations- und Entwicklungsforschung als auch für den klinisch-diagnostischen und präventiven Bereich relevant – und darüber hinaus auch in gesellschaftlicher Hinsicht von großem Interesse.
Originalsprache: Deutsch
Christiane Beerbom (IPU Berlin)
Benedikt Salfeld-Nebgen (IPU Berlin)
Luis Saß (IPU Berlin)
Theresa Voß (IPU Berlin)
Dr. Diana Lindner (Friedrich-Schiller-Universität Jena)
Projektbeginn: 01/2012
Projektende: 04/2018