Theoretische Psychoanalyse (Juniorprofessur)
IPU Berlin
Stromstr. 3b, 1. OG - Raum 1.02
10555 Berlin
Tel.: +49 30 300 117-711
E-Mail: christian.sell(at)ipu-berlin.de
Mein Schwerpunkt in der Lehre liegt im Studienbereich I „Theoretische Psychoanalyse, Erkenntnis- und Subjekttheorie“. Ich verstehe meine Vorlesungen und Seminare als eine Einführung in psychoanalytisches Denken. Es ist eine zentrale Einsicht der Psychoanalyse, dass wir nicht die sind, für die wir uns halten. Darauf bezogen sind bis heute ganz unterschiedliche Vorstellungen des Unbewussten, gemeinsam mit unterschiedlichen Erkenntnismethoden, formuliert worden. Psychoanalytische Theorien unterscheiden sich also sowohl in ihren Annahmen darüber, wie das Unbewusste strukturiert ist und was es enthält als auch wie wir etwas darüber wissen können. Mein Ziel ist es, gemeinsam mit den Studierenden zu erarbeiten, wie aus diesen Theorien schließlich unterschiedliche Konzeptionen von psychoanalytischer Praxis folgen, also unterschiedliche Versuche, das Unbewusste bewusst zu machen.
In Modul 1 sind Freuds Grundlegungen des psychoanalytischen Denkens unser Ausgangspunkt. Von dort aus werden wir einigen der Entwicklungslinien psychoanalytischer Theorie im 20. Jahrhundert nachgehen: Objektbeziehungstheorie, Selbst- und Ich-Psychologie, aber auch C.G. Jung, Lacan, sowie feministische, relationale und feldtheoretische Ansätze sollen einführend kennengelernt werden. In Modul 8 wagen wir uns über den etablierten klinischen Anwendungsbereich der Psychoanalyse hinaus, hinein in das Feld der Kulturwissenschaften. Was kann Psychoanalyse beitragen zu unserem Verständnis von gesellschaftlichen Konflikten, von Kunst und Medien, von Märchen und Mythen?
Ob in der interaktiven Vorlesung oder im gemeinsamen Lesen der Originaltexte im Seminar, mein Anspruch ist es, dass die Studierenden sich selbst im kritischen und reflexiven Denken erproben, sich auseinandersetzen und dabei beginnen, zu eigenen Positionen zu gelangen. Besonders in der Psychoanalyse kann das eine Herausforderung sein: Psychoanalytische Erkenntnis muss sich auch an unseren eigenen klinischen und persönlichen Erfahrungen beweisen und wirkt gleichsam auf diese zurück. Zusätzlich kommt es häufig zu Begegnungen mit verschiedenen Strömungen der Philosophie und mit den Ergebnissen und Methoden empirischer Forschung, anhand derer wir unsere Annahmen ebenfalls immer wieder infrage stellen lassen müssen. Psychoanalytische Theorie ist kein abgeschlossenes und homogenes System. Sie lebt vielmehr aus der produktiven Spannung ihrer Strömungen und dem Ringen mit den Widersprüchen. Ich freue mich darauf, die Studierenden an der IPU bei ihrem eigenen Ringen um eine wissenschaftliche und klinische Identität ein Stück weit zu begleiten.
Mein wissenschaftlicher Fokus liegt darauf, therapeutische (und andere) Beziehungen besser zu verstehen. Methodisch versuche ich dabei die verstehenden Suchbewegungen der psychoanalytischen Theorie mit empirischen Forschungsmethoden (z.B. Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik) zu verbinden. Ich glaube, dass es wichtig ist, den reichen konzeptuellen Fundus der Psychoanalyse wieder stärker in einen Austausch zu bringen mit den Erkenntnismöglichkeiten systematischer empirischer Untersuchungen. In der Erforschung von Beziehungsprozessen aus psychodynamischer Perspektive stellt daher, neben der weiterhin unabdingbaren Arbeit an unseren psychoanalytischen Begriffen, vor allem die gezielte Kombination von quantifizierenden und qualitativ-rekonstruktiven Methoden (Mixed Methods) eine wichtige Grundlage meiner Arbeit dar. Ein Beispiel für die Möglichkeiten dieses Zusammenspiels ist die Prozessforschung mittels systematischer Einzelfallstudien innerhalb von Psychotherapiewirksamkeitsstudien (Cases-within-Trials-Methodologie).
Inhaltlich arbeite ich aktuell zur Bedeutung von Mediopassivität in der therapeutischen Beziehung, zu Gegenübertragung und der inneren Arbeit der Therapeutinnen und Therapeuten, zur Beziehungsarbeit in der Psychosentherapie sowie zu imaginativen und intuitiven Prozessen in psychodynamischen Behandlungen.
Forschungsprojekte
Seit 2021
Mediopassivität und Psychoanalyse:
Zwischen Aktivität und Passivität in der therapeutischen Beziehung
Aktuelle Veröffentlichung, Kommentare (1,2) und Replik
Seit 2021
Innere Arbeitsmodelle in unterschiedlichen Psychotherapieverfahren:
Konzeptvergleichende Psychotherapieforschung
In Kooperation mit Prof. Dr. Timo Storck (Psychologische Hochschule Berlin) und Prof. Dr. Jana Volkert (Medical School Berlin).
Aktuelle Veröffentlichung
Seit 2020
Gegenübertragungsprozesse und negatives Therapeut*innenverhalten:
Bedingungen, Dynamiken und Folgen
In Kooperation mit Prof. Dr. Dr. Dorothea Huber (IPU Berlin) und Dr. Matthias Volz (Universität Kassel). Teilfinanzierung durch die Internationale Psychoanalytische Vereinigung (IPA).
Aktuelle Veröffentlichungen (1, 2)
Seit 2020
Differentielle Indikation Katathym Imaginativer Psychotherapie (DiW-KIP-Studie):
Eine RCT-Studie mit Patient-Component-Matching
In Kooperation mit Prof. Dr. Cord Benecke (Universität Kassel), Steffen Müller (Universität Kassel) und Prof. Dr. Ulrich Sachsse (Göttingen). Projektfinanzierung durch die Deutsche Gesellschaft für Katathym Imaginative Psychotherapie (DGKIP).
Aktuelle Veröffentlichung
Seit 2019
Therapie und Psychodynamik von Patient*innen mit psychotischen Symptomen (T3PS):
Beitrag zu einer psychoanalytisch begründeten Typologie psychotischer Störungen
In Kooperation mit Dr. Miriam Henkel (Universität Kassel), Dorothea von Haebler (IPU Berlin), Michael Dümpelmann (Göttingen), Martin Ohlmeier (Klinikum Kassel), Knut Schnell (Asklepios Fachklinikum Göttingen), Prof. Dr. Carsten Spitzer (Universitätsmedizin Rostock) und Cord Benecke (Universität Kassel). Teilfinanzierung durch die Köhler-Stiftung.
Aktuelle Veröffentlichung
2012 bis 2017
Praxisstudie zu Katathym Imaginativer Psychotherapie und Hypnosepsychotherapie:
Eine naturalistische Wirksamkeitsstudie
Unter der Leitung von Prof. Dr. Heidi Möller (Universität Kassel), in Kooperation mit Prof. Dr. Svenja Taubner (Universitätsklinikum Heidelberg). Projektfinanzierung durch die Österreichische Gesellschaft für angewandte Tiefenpsychologie und allgemeine Psychotherapie (ÖGATAP).
Offene Sprechstunde während der Vorlesungszeit: montags, 16 bis 17 Uhr
Student Supervision for Bachelor’s and Master’s Theses
I supervise student theses in clinical psychoanalytic theory and in psychotherapy research. I also supervise theses related to epistemology but only if they directly deal with claims about either psychoanalytic knowledge or knowledge about the process and results of psychoanalytically oriented therapy. I am unable to supervise theses which focus primarily on question in the intersection of psychoanalysis with the fields of cultural studies, literary studies, social psychology, or organizational psychology. Students wishing to write such theses should seek other supervisors.
I receive many requests to supervise student theses (both, as first and second examiner) and therefore prioritize as follows:
Students writing their thesis in English.
Students who have taken classes with me and who are working in areas in which I have enough expertise to supervise.
Students working in qualitative psychotherapy research.
As my capacity allows, other students working in areas in which I have sufficient expertise.
I do not offer student thesis supervision appointments or conduct oral examinations during the semester breaks.
I offer a biweekly seminar for the students whose theses I supervise. The seminar is taught each year during the summer semester, and I strongly recommend that my supervisees attend it. Additional supervision appointments are possible but only if a question has already been asked during the seminar and no sufficient solution has been found.
Application procedure: Anyone wishing to have thesis supervised by me should first see me during office hours – ideally, during the winter semester preceding the semester during which you plan to write your thesis. If we can agree on a possible provisional thesis topic, I will ask you to write a short outline (no more than two pages!) of what you plan to do and why. Producing this outline is intended to help you to become clearer on what exactly your research question is and how you are about to approach it. It will also help me make a final decision as to whether I would be a good supervisor for you.
[Note: in the past, some students have consulted with several potential supervisors simultaneously, sent them their outlines, received counselling, and decided much later whom they finally wanted to have as their supervisor. Please do not do that! It is rude and it wastes our time. Providing quality supervision is a lot of work as it is. I gladly do it and I am excited to provide guidance to your work, but please be respectful with regard to our time as well! If you wish to write your thesis under my supervision, I will do my best to respond quickly so that you know in time whether it will work out or not and can proceed to consult with other potential supervisors if necessary.]
Grading: I use the following set of criteria to grade student theses:
I. CONTENT (40%) |
One clear, well-focused thesis? Good command of the subject matter? Evidence of independent thought? Supporting arguments relate to the main claim and are well organized? The thesis goes beyond the obvious or predictable and is effectively argued for in a clear, logical, detailed, and relevant way? |
II. ORGANIZATION (30%) |
Clear organization of the paper? Inviting introduction that states the thesis and previews the structure of the essay? Presentation of details in logical order? Conclusion stating the point of the paper? |
III. STYLE (20%) |
Fluent and articulate relation of ideas? Effective tone and language use? Quotes, paraphrases, and summaries well woven into own writing? Smooth transitions between ideas? Well-controlled pacing? Thorough use of APA style? |
IV. MECHANICS AND GRAMMAR (10%) |
Spelling, punctuation, capitalization, sentence structure, and grammar with only few errors? |
Plagiarism. This should go without saying but your thesis must fully adhere to the principles of ethical academic writing – especially with regard to avoiding plagiarism. Plagiarism is presenting work or ideas from another source as your own, with or without consent of the original author, by incorporating it into your work without full acknowledgement. All published and unpublished material, whether in manuscript, printed or electronic form, is covered under this definition, as is the use of material generated wholly or in part through the use of artificial intelligence. Plagiarism can also include re-using your own work (e.g., course essays from classes) without citation. Under the IPU regulations, plagiarism, intentional or not, is a disciplinary offence. If you are unsure about any aspect of ethical writing, refer to Miguel Roig’s excellent text Avoiding Plagiarism, Self-Plagiarism, and Other Questionable Writing Practices which can be accessed here:
https://ori.hhs.gov/sites/default/files/plagiarism.pdf
Style and grammar guidelines: With regard to formatting, style, and referencing, theses under my supervision should follow the guidelines provided in the current edition of the Publication Manual of the American Psychological Association (https://apastyle.apa.org/). Please note: If you are writing a conceptually oriented thesis which does not involve data collection, it is not necessary (in most cases, it would even be ill-advised) to follow the introduction-method-results-discussion subdivision predetermined by the APA manual. If you are writing a theoretical thesis, you can (and probably should) deviate from that part of the manual. All other APA guidelines should still be followed, however.