Prof. Dr. Susanne Lanwerd

Seniorprofessorin

IPU Berlin
Stromstr. 3b - Raum 1.10
10555 Berlin
Tel.: +49 30 300 117-753
E-Mail: susanne.lanwerd(at)ipu-berlin.de

Schwerpunkte in der Lehre

Seit dem Studium der Religionswissenschaft und Ethnologie beschäftigen mich neben Religionsgeschichten, besonders des 19. bis 21. Jahrhunderts, auch die griechische Mythologie, psychoanalytische Positionen sowie Konstruktionsprozesse des / der Anderen. Später kam die Geschlechterforschung hinzu und mit ihr die spannende Gelegenheit, die Welt, die Wissenschaften, auch ihre „Klassiker“, neu und anders, ja: gegen den Strich zu lesen. In meiner Magisterarbeit diskutierte ich, mit Montaigne, „wie sich das Sterben lernen lässt“, in der Dissertation Grundbegriffe der Religionswissenschaft (Mythos, Magie) und in der Habilitation Studien zum Verhältnis von Symbol und Sinnlichkeit (Religionsästhetik). Aktuelle Forschungsthemen umfassen Religion in den Medien sowie Theorie und Praxis von Ästhetik.

In jüngeren Projekten (Experimentierfeld Museologie; How to Exhibit Religion) werden die Forschungsergebnisse auch in Ausstellungen präsentiert und umgesetzt. Zu diesen Themen und Schwerpunkten biete ich Lehrveranstaltungen an. In meinen Seminaren greife ich regelmäßig aktuelle gesellschaftliche Dynamiken und Konfliktlagen auf, z.B. Bilderpolitiken oder öffentliche Diskurse zum Islam, um entlang der Untersuchung ihrer Strukturen religionsgeschichtliche Wissensbestände zu vermitteln. Gerade die skizzierte Möglichkeit: Gegenwart mit Geschichte analytisch zu verknüpfen, begeistert mich an der Religionswissenschaft ebenso wie an der Psychoanalyse; auch, dass große wie kleine Dinge und Fakten gleichermaßen bedeutsam sind! Beide Perspektiven begreife ich als vielversprechende Unternehmungen, um Menschen und Dingen mit intellektueller Neugierde begegnen zu können. Und: die Seminare gewähren Raum, um kritisches Denken stets aufs Neue zu erproben.

Ob ich ein persönliches Lebensmotto oder einen Lieblingsspruch habe? Es gibt verschiedene, die – je nach Lebenssituation mal aufgegriffen, mal fallengelassen werden, auch kleine Änderungen sind erlaubt. Häufig zum Einsatz kommt zum Beispiel: der Differenz mit Wohlgefühl bewusst zu sein, obwohl es im Original bei Nietzsche eigentlich „Unterschied“ heißt. Momentane Favoriten sind Hannah Arendts Denken ohne Geländer und Ein jegliches hat seine Zeit (Kohelet 3,1).

Schwerpunkte in der Forschung

 

Entlang der Arbeitsschwerpunkte

  • Analyse von Text-Bild-Verhältnissen
  • Transformation religiöser Bestände (Motive, Bilder, Geschichten) in post-säkularen Gesellschaften
  • Serendipitäre Ästhetik
    adressieren meine aktuellen Forschungen folgende Bereiche

 

  1. Corona meets Greta. Psychoanalytisch-religionswissenschaftliche Überlegungen
    Die Realität zeigt, dass ein Virus – nicht der Klimawandel? – Ängste aus­löst. Aber han­delt es sich überhaupt um Angst? Als Kultur- und Religionswissen­schaftlerin fällt mir zweierlei ein: (1) Angst ist etwas anderes als Furcht oder Panik. In der Panik kann z.B. Harm­­loses und Gefährliches nicht unterschieden werden; Panik hindere am Denken (Mario Erdheim). Berechtigte Grundlagen der Angst sind: Ungewissheit der Zukunft, die Fra­gi­lität der menschlichen Konstitution, die Sterb­lich­keit. Für die Menschen ist Angst ein kaum zu ersetzendes Phänomen. Sie hilft, Gefahren zu er­­­ken­nen. Zugleich können alle Affekte in Angst eingetauscht werden (Sigmund Freud); Affekte, z.B. Hass und Res­sen­timents können sich als Angst maskieren. (2) Reli­giöse Heilsversprechen: Ängste und Verun­sicherungen werden in einen Heilsplan ein­ge­­ordnet und erhalten so einen Sinn, eine Bedeutung im Ge­samt der Kon­­struktion. Die Funktion einer religiösen Sinngebung könnte erklären, warum auch in (post-)sä­kularen Zeiten Anleihen bei religiösen Be­stän­den stattfinden. Man denke z.B. an Elon Musk. Hier zeigt sich, wie gesell­schaft­­liche Konflikte um Arbeitslosigkeit im Bilde des Elektro­auto­­­her­stellers fixiert werden: er verspricht Arbeitsplätze, man bringt ihm Verehrung ent­gegen; und vergisst, dass er zu SpaceX gehört? Findet eine kultische Über­hö­hung statt? Deutlich wird zum einen, dass der Glaube an die Allmacht der menschlichen wie künst­lichen Intel­ligenz hin­sicht­lich seiner Stärke nicht von religiösen Vor­stel­lun­gen zu unter­scheiden ist; zum anderen die Kom­plexität jeder Rea­li­tät.
    Gerade erschienen: Corona im Klimawandel. Ein Essay. Würzburg 2021
     
  2. Zur Dezentrierung von Religion und Mode. Aktuelle Ausstellungen aus der Perspektive der serendipitären Ästhetik
    Im Jahr 2018 zeigte das Metropolitan Museum of Art (New York City) die Ausstellung Heavenly Bodies. Fashion and the Catholic Imagination, die sich grosser Publi­kums­be­liebtheit erfreute. Ebenfalls 2018, später im Jahr, wurde in San Francisco Contemporary Muslim Fashions präsentiert; die Ausstellung wanderte unter demselben Titel ab April 2019 (bis September) ins Museum für Angewandte Kunst, Frankfurt am Main. Europa­weit fanden bzw. finden aktuell noch mindestens drei weitere Ausstellungen zum The­ma Religion und Mode statt. Mit der musealen Präsenz der (ungewöhnlichen) Kombination von Religion und Mode korreliert ein umfangreicher Bestand an Forschungsliteratur. Beides bedarf der kritischen Aufarbeitung. Das Projekt versteht sich als Beitrag zur transkulturellen Reli­gionskritik und macht hierfür den Ansatz der serendipitären Ästhetik produktiv. 
     
  3. Fragile Bündnisse. Zur Faszination ozeanischer Bilder (Präsentation am 7. Juli 2018 im Forschungsforum der IPU)
    Als Ocean Conveyor Belt bezeichnet die Klimaforschung eine spezifische Tiefsee­zir­ku­lation, die durch Temperatur und Salzgehalt ange­trieben wird; diese ozea­nische Strö­mung verschiebt Wärme­ener­gie in globalem Umfang und versucht auf diese Weise, das Klima weltweit aus­zugleichen. In den Gesellschaften des 21. Jahrhunderts leben Men­schen mit unter­schied­lichen ethni­schen und religiösen Hintergründen zusammen und: dieses Zu­sammen­leben changiert ständig zwischen Konsens und Konflikt. Oftmals sind es gerade die Religionen, die als Marker von Differenz fungieren. Gegenwärtiges ge­sell­­schaft­liches Zusammenleben fordert daher mehr und mehr so­wohl die Fähig­keit des Einzel­nen als auch der Sozialität heraus, Dif­ferenz auszuhalten und zu ge­stal­ten. Hier setzt das projektierte Forschungs­vor­haben ein. Fragile Bündnisse zielen darauf, in Festlegungen zu intervenieren. Im Unterschied zu klar hierarchisierten Differenzverhältnissen, wie sie mit Aufklärung und Religion, Ver­nunft und Glaube gesetzt sind, versucht das Projekt, Unbestimmbarkeit, Mehr­deutigkeit und Leerstellen kommunizierbar zu machen. Im Blick auf die Verfestigung von klaren Grenz­­­­ziehungen setzt es auf Verfahren, die diese (wieder) durchlässig machen.

Ausstellungen

  • Ausstellung Bilder, Stimmen und Clichés: SS-Aufseherinnen im Frauen-Konzen­tra­tionslager. Künstlerische Interventionen in der Gedenkstätte Ravensbrück (2019 / 2020), in Zusammenarbeit mit Studierenden der IPU, der Universität der Kün­ste Ber­lin, mit der künstlerischen Leitung und der Projektleitung der Gedenk­stätte 
  • The Urban Sacred. Städtisch-religiöse Arrangements in Amsterdam, Berlin und Lon­don / How Religion Makes and Takes Place in Amsterdam, Berlin and London. Kunst­­museum Bochum, 28.2. – 3.4.2016; Menier Gallery, London, 12. – 23.4.2016; Kunst­raum Bethanien, Berlin, 7.– 22.5.2016, Ignasius Hus, Amsterdam, 4. – 30.6.2016. Sowie online: www.urban-sacred.org
  • „Verschleiert! Szenographische Erkundungen in den Strassen Neuköllns“. Eine Aus­­stel­­lungs-Situation mit Studierenden der Universitäten Frankfurt/Main und Ber­lin, Oktober 2012 (Konzeption)
  • NeuZugänge. Migrationsgeschichten in Berliner Sammlungen. Eine La­­­­bor­aus­stel­lung. Kooperationsprojekt: Bezirksmuseum Friedrichshain-Kreuzberg, Stadt­­­­mu­seum Berlin, Museum für Islamische Kunst, Berlin, Werkbundarchiv – Mu­seum der Din­ge, 29.1.- 27.3.2011
  • „Die Sprache des Gedenkens. Zur Geschichte der Ge­denk­stät­te Ra­vens­brück, 1945 – 1995“ (gemeinsam mit Sigrid Jacobeit und Insa Eschebach), Gedenkstätte Ra­vens­brück, November 1999 bis Mai 2010

 

Podcast

Zum Thema Reli­gion und Psycho­analyse – seit 14. Dezember 2018 über verschiedene Formate öffentlich zu­gäng­lich (50minuten.podigee.io, Spotify, iTunes, Google Podcasts).

 

Radiointerview

07. März 2018, Deutschland­ra­dio: Sendung „Tag für Tag. Aus Reli­gion und Ge­sell­schaft“: Religion auf der Couch. Psycho­ana­lyse an der Universität.