Die Art und Weise, wie wir Erfahrungen verarbeiten, denken und nicht zuletzt erforschen, hängt von den dabei verwendeten Konzepten ab. Zugleich werden Konzepte dabei nicht nur aufgegriffen, sondern verändert und neu hervorgebracht. Die Reflexion der damit verbundenen Prozesse und entstehenden Verhältnisse bildet den Mittelpunkt dieses Forschungsschwerpunktes.
Unter Konzeptforschung wird neben der erkenntnistheoretischen wie sozial- und kulturwissenschaftlichen Reflexion psychoanalytischer Konzepte auch die entsprechend fundierte Befragung von Konzepten aus Nachbardisziplinen sowie empirische Forschung an und mit psychoanalytischen Konzepten verstanden. Da Wissenschaft stets in einem konkreten gesellschaftlichen und damit auch historischen und kulturellen Kontext situiert ist, geht es in den Beiträgen zur Wissenschaftstheorie wie zur Wissenschafts- und Begriffsgeschichte auch um Forschungen zu Konzepten im kulturellen und gesellschaftlichen Wandel. Dabei werden sowohl tradierte Konzepte auf ihre Aktualität hin befragt als auch zeitgenössische Konzeptionen vor dem Hintergrund ihrer (Wissenschafts-)Geschichte reflektiert.
Geforscht wird hier an den Schnittpunkten von Psyche und Gesellschaft; dies beinhaltet neben Forschung zu zeitgenössischen Formen der Subjektivität auch methodologische Überlegungen zur Fruchtbarmachung von Subjektivität im Forschungsprozess.
Im Kontext dieses Forschungsschwerpunktes war beispielsweise die Studie zu „Prokrastination. Psychoanalyse und gesellschaftlicher Kontext“ angesiedelt (2015-2018), in der zum einen nach der Psychodynamik dieses Begriffes aus der Psychologie, der in die Alltagssprache eingewandert ist, gefragt wurde. Zum anderen hatte die Studie die gesellschaftliche Bedeutung dieses Phänomens im Blick, um u. a. die Frage beantworten zu können, was die Zunahme der Prokrastination (klinische/sozialpsychologische Ebene) bedeutet und wie der Bedeutungsaufschwung des Begriffs seit den 90ger Jahren zu verstehen ist.
Auch das Projekt „Psychoanalyse und Kultur im 21. Jahrhundert“ ist in diesem Forschungsschwerpunkt der IPU angesiedelt, mit dem eine Relektüre der impliziten und expliziten kulturtheoretischen Annahmen in der psychoanalytischen Theorie vollzogen wird. Im Zentrum steht hierbei die Frage nach ihrer Aktualität und Aufschlusskraft für gegenwärtige interdisziplinäre Diskurse und Problemstellungen. So entstehen hier – zugleich im Austausch mit Nachbardisziplinen – kontinuierlich Arbeiten zu zentralen Begriffen und Problemstellungen der psychoanalytischen Theorie, wie z.B. Sexualität, Identität, Masse, Autoritarismus usw. sowie Arbeiten zur Psychoanalyse als Wissenschaft (Wissenskulturen). Einen Brückenschlag zur klinischen Praxis leistet dabei z. B. das Projekt „Mediopassivität und Psychoanalyse“, in dem ein sozialphilosophischer Begriff für das klinische Verständnis fruchtbar gemacht wird.