Theologie des islamischen Antisemitismus

Aktuelle Vortragsreihe der krIPU

Dr. Felix Riedel ist freiberuflicher Ethnologe, Autor und engagiert sich in der politischen Bildungsarbeit. In der aktuellen Vortragsreihe der krIPU spricht er über die Theologie des islamischen Antisemitismus.

Termin

Donnerstag, 16. Mai 2019, 19 Uhr
Hörsaal 1, 3. OG
Stromstr. 2, 10555 Berlin

Zum Vortrag

Der Judaismus führt einen fehlerhaften Gott ein, der polytheistischen, menschlichen Götterbildern noch sehr nahe ist: Er hat Gefühle, er zürnt ungerecht, er wütet, er bereut aber auch und verzeiht, er ist vertragsfähig als Bundesgenosse. Das führte Sigmund Freud dazu, in dieser Gottheit eine posthume Idealisierung des historischen „Mann Moses“ zu finden. Dieser Vermenschlichung Gottes folgt das Christentum noch stärker, das nach der Unterdrückung des Arianismus die Vaterrolle Gottes betont und um den göttlichen Sohn, heiligen Geist, Gottesmutter und eine Legion von Heiligen ergänzt zum Polytheismus mit Hochgott zurückkehrt.

Der Islam ist aus dieser Perspektive der reinste Monotheismus: Hier erscheint Gott tatsächlich als absoluter Herrscher, autonom, unfehlbar und perfekt, der Verhandlung mit individuellen Menschen enthoben. Nicht obwohl, sondern weil sich seine Tätigkeit im ständigen Bestrafen von Ungläubigen und Zweiflern erschöpft, wird zu Beginn jeder Sure die „Barmherzigkeit“ Gottes beschworen – ein Akt der Beschwichtigung. Gleichnisse und Geschichten, die die jüdischen Schriften bereichern, existieren im Koran nicht mehr: das Handeln Gottes bedarf keiner Rechtfertigung, es fordert Unterwerfung.

Der islamische Antisemitismus ist theologisch angelegtes Resultat dieser narzisstischen Idealisierung Gottes. Wenn Gott den frommen Muslimen Sieg und Wohlstand verspricht, bedeutet jede Emanzipation der ersten Opfer der islamischen Expansion, der Juden, einen Nährboden für Zweifel. Dieser Zweifel muss aufgrund der Angst vor der Straflust Gottes abgespalten und projiziert werden auf den Auslöser des Zweifels: zunächst die Synagogen, die nicht renoviert oder neu gebaut werden dürfen, dann aufsteigende Juden, an denen sich in der islamischen Geschichte immer wieder Pogrome entzünden, später Israel. Weil die Linderung von Angst durch ein sichtbares Zeichen der eigenen Macht zur zentralen theologischen Strategie des Korans gehört, erhält in der Folge der sichtbar gemachte Terror ebenso wie der Hijab den Status eines Gottesbeweises für die theologisch konsequente Form des Islams, den Salafismus.

Die krIPU

Die krIPU ist eine Initiative von Studierenden und Mitarbeiter_innen der International Psychoanalytic University (IPU) Berlin, welche sich regelmäßig trifft, um die Möglichkeiten und Grenzen einer sozialkritischen, politischen Psychoanalyse, ihre überschaubare Geschichte und ihre ungewisse Zukunft zu diskutieren.