Organisation: Katrin Voigt, Frank Schumann, Thomas Kühn
Vorstellungen von Gemeinschaft und Nation sind oft von einer Sehnsucht geprägt, die aus dem Leben in modernen Gesellschaften entspringt. Den anonymen und oftmals als kalt empfundenen Sozialbeziehungen in der Moderne setzen Gemeinschaftsideen ein Gefühl der Verbundenheit entgegen, das sich aus einer unmittelbaren und gemeinsam geteilten Erfahrung speist. Die Nation verspricht, dieses Verbundenheitsgefühl auch für große Sozialverbände einlösen zu können, die keine Gemeinschaft im klassischen Sinne mehr bilden. Die Nation soll den Gemeinsinn stiften, den eine Gesellschaft allein nicht bieten kann, da die Menschen in ihr räumlich, sozial und kulturell getrennt leben.
In jüngerer Zeit sind es vor allem rechte und rechtspopulistische Bewegungen, die sich auf Begriffe wie Gemeinschaft und Nation berufen. Sie weisen damit auf eine Ambivalenz hin, die Gemeinschaftsvorstellungen seit jeher auszeichnet: Auf der einen Seite soll Gemeinschaft Quelle von Solidarität und Identität sein, auf der anderen waren Gemeinschaftsideen oft Rechtfertigung für Ausschluss und Gewalt.
Die Tagung wird die Komplexität der Begriffe aus einer interdisziplinären sozialpsychologischen, psychoanalytischen, soziologischen und politikwissenschaftlichen Perspektive in den Blick nehmen und ihre Verwendung, Funktion und Bedeutungen vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Erfolgs rechtspopulistischer Bewegungen kritisch rekonstruieren. Zugleich wird aber auch der Rolle nachgespürt, die Gemeinschaft oder auch Nation außerhalb rechtspopulistischer Ansprache in der Lebenswelt von Menschen spielen.
Die Tagung wird von der Fritz Thyssen Stiftung gefördert.
Termin
28. und 29. Februar 2020
Ort
Hörsaal 1 (3. OG), Stromstr. 2, 10555 Berlin
Tagungsprogramm
Freitag, 28. Februar 2020
12:45 – 13:15 Uhr: Anmeldung
13:15 – 13:30 Uhr: Thomas Kühn: Begrüßung und Überblick über das Programm
13:30 – 14:30 Uhr: Rebecca Pates: Die Wölfe sind zurück. Über die Politik der Angst in Ostdeutschland (Moderation: Thomas Kühn)
14:30 – 15:00 Uhr: Kaffeepause
15:00 – 16:00 Uhr: Gavin Sullivan: English voters and the Brexit ›crisis‹. The roles of reactionism and ressentiment in the 2019 UK Election (Moderation: Katrin Voigt)
16:15 – 17:15 Uhr: Klaus Dörre: Nationale Gemeinschaft und imaginäre Revolte von rechts. Empirische Befunde zum Alltagsbewusstsein von Lohnabhängigen (Moderation: Frank Schumann)
17:15 – 17:45 Uhr: Kaffeepause
17:45 – 18:45 Uhr: Jan Lohl: »Ich mag Deutschland«. Tiefenhermeneutische Analysen der psychosozialen Ausbildung von völkischem Nationalismus (Moderation: Frank Schumann)
Samstag, 29. Februar 2020
8:45 – 9:15 Uhr: Anmeldung
09:15 – 10:15 Uhr: Thomas Kühn: Zwischen Weltmeister und Weltbürger, Patriotismus und Nationalismus. Ambivalente nationale Identität und das Bemühen um Selbstverständnis (Moderation: Phil Langer)
10:15 – 10:30 Uhr: Kaffeepause
10:30 – 12:00 Uhr:
Panel 1 - Raum 02-03
Ulrike Marz: Das »Volk« gegen die Gesellschaft. Antisemitische Imaginationen im Lügenpressevorwurf
Leo Roepert: Gemeinschaft und Gesellschaft im Diskurs der populistischen und extremen Rechten
Moderation: Ulrike Auge
Panel 2 - Raum 02-04
Katrin Voigt: Von gesellschaftlicher Polarisierung und geteilten Narrativen. Verhandlungen von Gemeinschaft und Nation in der bürgerlich-liberalen Mitte
Il-Tschung Lim: Kulturalisierung – Politisierung – Differenzierung. Personenkategorien in gegenwärtigen Hochschulkonflikten
Moderation: Thomas Kühn
12:00 – 14:00 Uhr: Mittagspause
14:00 – 15:30 Uhr:
Panel 3 - Raum 02-03
Frank Schumann: Jenseits affektiver Bindung. Gemeinschaft als soziale Ordnungssemantik
Marc Drobot & Felix Schilk: Die Gemeinschaft von Identität und Solidarität in rechten Ordnungsdiskursen
Moderation: Beyhan Bozkurt
Panel 4 - Raum 02-04
Florian Spissinger & Julia Leser: Affektivität und Gemeinschaft. Zur Funktionalität politischer Affekte jenseits ›negativer Emotionen‹
Moderation: Aisha-Nusrat Ahmad
15:30 – 15:45 Uhr: Kaffeepause
15:45 – 16:45 Uhr: Stefan Kutzner: Politische Vergemeinschaftung und Solidarität. Basiert der Nationalstaat zwingend auf Homogenität? (Moderation: Thomas Kühn)
16:45 – 17:15 Uhr: Konferenzabschluss und Ausblick (Thomas Kühn, Frank Schumann, Katrin Voigt)
Die Veranstaltung ist ausgebucht. Leider ist keine Anmeldung mehr möglich.