Präsident Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz drückt für die IPU seine tiefe Bestürzung über die kriegerische Invasion der Ukraine durch Russland aus. Als wissenschaftliche Institution, Lehrstätte und Ort der Psychoanalyse erklärt sich die IPU solidarisch mit den Menschen in der Ukraine, ihren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Studierenden und insbesondere Psychoanalytikerinnen und -analytikern.
Die IPU schließt sich dabei der Stellungnahme der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) an, die den Überfall Russlands und die Bedeutung der Ukraine als eines der „wichtigen Herkunftsländer unter den internationalen Studierenden in Deutschland“ betont. Ebenso unterstützt sie den Appell des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes (DAAD), die Kooperationen und Beziehungen in und außerhalb der Wissenschaft zur Ukraine aufrecht zu erhalten.
Verbindungen zwischen IPU und ukrainischer Psychoanalyse
Der Krieg ruft an der IPU Initiativen zur Etablierung und Förderung der Psychoanalyse sowie wissenschaftliche Kooperationen in und mit der Ukraine in Erinnerung. So wurde u. a. der erste Band des Lehrbuches der psychoanalytischen Therapie (Teil 1 Grundlagen, Teil 2 Praxis) von Helmut Thomä und Horst Kächele (von 2009 bis 2020 Professor an der IPU) neben zahlreichen anderen Sprachen auch ins Ukrainische übersetzt; die Übersetzung des zweiten Bandes ist in Vorbereitung. Dieses Lehrbuch von 1996 gilt als eines der bedeutendsten Werke der modernen Psychoanalyse.
Horst Kächele begleitete auch zwei vom DAAD geförderte Studienreisen in die Ukraine. Im Jahr 2013 erfolgte zunächst ein Vorabbesuch in Simferopol, 2016 gab die Einladung der Ukrainian Catholic University (UCU) in Lemberg in Kooperation mit dem Psychoanalytic Institute for Mental Health Anlass für eine Reise in die West-Ukraine. Dabei ging es um den wechselseitigen Austausch fachlicher Kenntnisse anhand psychoanalytischer Schwerpunktthemen sowie die Geschichte und Entwicklung der Psychoanalyse.
Die junge Geschichte der Psychoanalyse in der Ukraine
Ida di Pietro, Witwe des renommierten Wiener Psychoanalytikers Harald Leupold-Löwenthal und großzügige Förderin der IPU, erinnert uns an eine psychoanalytische Vortragsreihe aus dem Jahr 2019 in Lwiw (Lemberg), die der Psychoanalyse zu einer inzwischen weiten Verbreitung in der Ukraine verholfen hat. Den ins Deutsche übersetzte Wortlaut ihres Briefes veröffentlichen wir unten.
An diese Initiativen anzuknüpfen ist für die IPU eine Verpflichtung, insbesondere angesichts der derzeitigen Kriegszustände, die von Ängsten und möglichen Traumatisierungen begleitet werden. Es bleibt die Hoffnung auf Frieden für die Ukraine in möglichst naher Zukunft.
Bereits im September 2019 fand in Lwiw (Lemberg) eine eintägige Veranstaltung zum 25-jährigen Jubiläum des Auftakts der Psychoanalyse in der Ukraine statt. Mitte der 90er Jahre starteten Harald Leupold-Löwenthal aus Wien und sein Kollege Prof. Olexander Filtz, Gründer des Lviv Psychoanalytic Institute for Mental Health, eine Reihe von Seminaren, Konferenzen und Veranstaltungen mit dem Ziel, Psychotherapeuten und Psychiater in der Ukraine, die sich für die Psychoanalyse interessieren, zusammenzubringen.
Die Veranstaltungen fanden in Lemberg, Kyjiv und Odessa statt, um ein großes Land mit mehreren intellektuellen Zentren, in denen der psychoanalytische Diskurs bereits im Gange war, so breit wie möglich abzudecken. Sie regten damals zu spannenden Diskussionen, Fragen und Antworten an und stießen im ganzen Land auf großes Interesse. Diese Veranstaltungsreihe liegt fast 30 Jahre zurück und die Psychoanalyse hat in der Ukraine ein beträchtliches Potential entwickelt.
Die Ukrainische Psychoanalytische Vereinigung und die Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie der Danylo Halytsky Lviv National Medical University, die die Veranstaltung 2019 unterstützten, zeigen ein vielfältiges Engagement für die Entwicklung der Psychoanalyse. Eine erste Generation von Psychotherapeuten, die seinerzeit direkt mit Harald Leupold-Löwenthal in „endlichem und unendlichem“ Dialog standen, erinnert sich heute an diesen Auftakt der Psychoanalyse in der Ukraine.
Ein wichtiger Schritt zur Förderung junger Psychotherapeuten war in den 90er Jahren auch die Gründung des Truskavets-Projekts, d. h. der Truskavets-Schule für Psychotherapie. Einige der jungen Psychotherapeuten dieser Schule hielten auf der Veranstaltung im September 2019 Vorträge, deren Themen von angewandter Forschung über die Adlersche Analyse bis hin zur Objektbeziehung reichten.
Alle Beteiligten kamen damals zu der Überzeugung, dass dieser Rückblick für sie sowohl die Bedeutung der psychotherapeutischen Tradition als auch das Gefühl hervorhob, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die durch die Bemühungen erfahrener ukrainischer, österreichischer und internationaler Psychotherapeuten aufgebaut wurde.
Ida di Pietro