Musiktheoretisches Seminar an der IPU Berlin

„Negation“ und „Kritik“: fundamentale Kategorien der Neuen Musik

Im Seminar wird es darum gehen, an ausgewählten Werken nicht nur der Neuen Musik jenes Charakteristikum zu entfalten, durch das diese sich in all ihren höchst unterschiedlichen Gestaltungen von aller vorangegangenen Musik prinzipiell unterscheidet und der philosophisch-kategorialen Reflexion in ihrer am weitesten vorangetriebenen Gestalt etwa bei Theodor W. Adorno gesellt: die Tatsache, dass Musik sich seit dem Sturz der Tonalität in einem essentiell und unaufhebbar kritischen und negativen Verhältnis zu sich selbst und all ihren Eigenschaften im einzelnen befindet. Besonderen Wert soll darauf gelegt werden, die Bestimmungen Neuer Musik nicht „von außen“ an sie heranzutragen, sondern sie durch hörendes Erkunden aus der Musik selbst abzuleiten; die Frage, welche Sprache dabei für eine Kunstform gefunden werden kann, die weder mit Begriffen operiert noch fassbare Bedeutungen vorgibt, soll dabei nicht zu kurz kommen. Deutlich werden soll in diesem Zusammenhang ebenfalls, dass die sogenannte „Kritische Theorie“ nicht nur in der Erfahrung moderner Kunst gründet, sondern dass sie, überspitzt gesagt, wenig mehr ist als die zum Selbstbewusstsein gebrachte ästhetische Moderne, die ihre Formen nicht aus einem zweifelsfrei verbürgten Kanon bezieht, sondern vielmehr aus der Anstrengung, im irreversiblen krisenhaften Zerfall der ästhetischen Subjektivität und der ihr zugeordneten ästhetischen Konventionen ihrer selbst mächtig zu bleiben.

 

Der Ablauf sieht vor, dass der Referent zunächst begründet, warum er keine Einführung gibt, sondern einen jeden Teilnehmer, sei er musikerfahren oder auch nicht, den Kunstwerken, um die es gehen wird, ohne große Vorwarnung, aber mit ein paar Hinweisen, aussetzen wird. Dabei versucht er, an einer Gattung, dem Streichquartett, die Gemeinsamkeiten, aber auch die kategorialen Differenzen von traditionellem Komponieren und Neuer Musik darzustellen.

 

Organisation: Bernhard Bolech und Aaron Lahl (IPU Berlin)
Konzeption und Vortrag: Prof. Clemens Nachtmann (Universität Graz)
Ort: IPU Berlin, Stromstraße 2, 10555 Berlin
Zeit: Freitag, 19.7.2019 (15-19 Uhr) und Samstag, 20.7.2019 (11-19 Uhr, mit Pause)
Teilnehmer: ungefähr 25 Personen
Teilnahmegebühren: 10 Euro (zwecks Finanzierung der Flugkosten des Referenten)
Anmeldung: Erforderlich. E-Mail an: aaron.lahl(at)ipu-berlin.de 

Biographie Prof. Clemens Nachtmann 

Geboren 1965 in Neustadt a.d. Waldnaab (Bayern), studierte Clemens Nachtmann in München und in Berlin Politikwissenschaft u.a. bei Johannes Agnoli sowie in den 80er-Jahren Komposition und Musiktheorie bei Wilhelm Killmayer, in den 90er-Jahren bei Friedrich Goldmann, Gösta Neuwirth und Hartmut Fladt. 2004 übersiedelte er von Berlin, wo er fast 20 Jahre lang wohnte und studierte, nach Graz. Dort absolvierte er zunächst ein Aufbaustudium in Komposition bei Prof. Beat Furrer im Rahmen eines DAAD-Postgraduierten-Stipendiums, seit 2005 unterrichtet er an der Kunstuniversität Graz Musiktheorie und Gehörbildung. Seit März 2019 Professor für Harmonielehre und Kontrapunkt an der Kunstuniversität Graz. 


Seit den 80er Jahren zahlreiche Vorträge sowie Veröffentlichungen in diversen Zeitungen und Zeitschriften zu gesellschaftstheoretischen, politischen, kulturellen und musikalischen Fragen. Diverse Preise und Auszeichnungen, u.a. Kompositionsstipendium des Berliner Senats, Boris-Blacher-Preis für Komposition der Neuen Musik 2004, zweiter Preis beim Gustav-Mahler-Kompositionspreis der Stadt Klagenfurt 2008, Stipendium für einen Aufenthalt im Künstlerhaus Eckernförde im Herbst 2010. Förderung der Ernst-von-Siemens-Musikstiftung für die Arbeit am Musiktheater „Das Buch von allen Dingen“ nach dem Roman von Guus Kuijer, die in diesem Jahr abgeschlossen wurde.


Aufführungen bei der „Klangwerkstatt Kreuzberg“, im Rahmen der Reihe „Unerhörte Musik“ im Berliner BKA, beim WDR Köln, beim Berliner Festival „MaerzMusik“, bei „The music of the 21st century“ in Wien, bei der Ensembleakademie „Impuls“ (Graz), beim „musikprotokoll“ im Steirischen Herbst, beim Festival „música viva“ in Portugal 2008, im Austrian Cultural Forum in New York. Portraitkonzerte beim Berliner Festival für neue Musik „Ultraschall“; beim Frankfurter Festival „Auftakt“ und beim ORF/jeunesse. Zusammenarbeit u.a. mit dem Klangforum Wien, dem Berliner ensemble mosaik, dem Grazer Ensemble „Schallfeld“, dem Eckernförder „ensemble reflexion k“ und dem Freiburger „ensemble aventure“. Radioportraits beim ORF und DeutschlandRadio.