Jugendliche stellen zwei Drittel der afghanischen Bevölkerung. Im Report des internationalen IPU-Projekts bekommen sie eine Stimme und berichten über ihre Perspektive auf den Zustand und die mögliche Zukunft ihres Landes.
Das Afghan Youth Project wurde ins Leben gerufen, um sich mit den Folgen der alltäglichen Gewalt, der existenziellen Unsicherheit und Perspektivlosigkeit in Afghanistan zu beschäftigen. Seit Jahren nehmen diese Tendenzen dramatisch zu, woraus sich auch die aktuelle Fluchtdynamik nach Europa speist. Nun ist der Report des Projekts erschienen. Unter dem Titel „Glimpses of Hope in the Shadow of War“ werden Ergebnisse gezeigt, in denen vor allem die afghanischen Jugendlichen zu Wort kommen, die sich selbst als „Zukunftsmacher“ verstehen.
„Wenn man nach Potenzialen für gesellschaftlichen und politischen Wandel hin zu mehr Frieden und Zukunftschancen in Afghanistan sucht, kommt man fast zwangsläufig zur jungen Generation“, erklärt Prof. Dr. Phil Langer. Er ist IPU-Professor und leitet das Afghan Youth Project. „Die Jugendlichen machen zwei Drittel der Bevölkerung aus, sind aber stark unterrepräsentiert in politischen und öffentlich Debatten – und auch in der Forschung.“ Das Afghan Youth Project soll daran etwas ändern. Es ist Teil eines größeren Forschungsprogramms an der IPU, das sich etwa auch mit ehemaligen Kindersoldaten des Islamischen Staates beschäftigt.
„Unser Ziel war, den Jugendlichen in Afghanistan mit ihren Problemen und Ängsten, aber auch ihren Hoffnungen und Träumen eine Stimme zu geben“, sagt Langers Kollegin im Projekt Aisha-Nusrat Ahmad. „Es geht uns sowohl um ein Empowerment der Jugendlichen von unten als auch die Einflussnahme auf politische Entscheidungen von oben, indem wir Empfehlungen formulieren, wie es gelingen kann, das friedenspolitische Potenzial der Jugend im Land zu aktivieren.“ Zentrale Fragen in der Forschung waren: Wie gehen die Jugendlichen in einem von jahrzehntelangen Konflikten und Kriegen geprägten Land mit all der Gewalt und den vielfältigen Problemlagen von Armut, Korruption und mangelnden Berufsperspektiven um? Wie stellen sie sich eine „andere“ Zukunft vor? Was glauben sie, dazu selbst beitragen zu können?
Mehr als 220 Jugendliche haben ihre Lebensgeschichten und ihre Zukunftsvorstellungen im Rahmen des Forschungsprojekts geteilt. Sie geben dabei eine Analyse ab, wie sich Gewalt aus Perspektivlosigkeit speist, wie soziale Ungleichheit und ethnische und geschlechtliche Diskriminierung gesellschaftliche Teilhabechancen vermindern, wie Korruption und politische Stagnation in der älteren Generation ihre eigene Zukunft gefährden. Zugleich zeigen sie ihren Willen, für eine bessere Zukunft in Solidarität und Einheit Verantwortung zu übernehmen.
Die Lösungen, die von den Jugendlichen erarbeitet wurden, seien spannend und überraschend, betont Phil Langer: „Wenn etwa Mädchen, die keinerlei formale Bildung erfahren haben, darüber nachdenken, wie ihre gesellschaftliche Rolle über die Aufklärung von Männern verbessert werden könnte.“ Der Professor für Sozialpsychologie und Sozialpsychiatrie ist überzeugt: Was die Jugendlichen zu sagen haben, kann viel zum Verständnis ihrer aktuellen Situation in Afghanistan und zu der von nach Deutschland geflüchteten jungen Menschen beitragen.
Der Report richtet sich an eine breitere politische Öffentlichkeit und stellt ausgewählte Ergebnisse des Projektes vor, um so ein Einblick in das umfangreiche empirische Material zu gewinnen, das in Deutschland einzigartig ist.
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