Prof. Dr. Dr. Roger Frie und Dr. Rainer Funk werden jeweils einen Vortrag halten. Moderiert wird der Abend vom ehemaligen IPU-Präsidenten Prof. Dr. Martin Teising.
Die Teilnahme an der Veranstaltung ist wahlweise in Präsenz im Hörsaal 1 (Stromstraße 2, 10555 Berlin) sowie digital per Livestream möglich. In beiden Fällen bitten wir Sie um eine Anmeldung über das untenstehende Anmeldeformular. Für die Teilnahme vor Ort ist der Nachweis einer vollständigen Impfung gegen das Coronavirus oder der Nachweis einer Genesung ("2G-Regel") vorzuzeigen.
Vortrag von Prof. Dr. Dr. Roger Frie
Als Psychoanalytiker sah sich Fromm gedrängt, sich zu den sozialen und politischen Krisen seiner Zeit zu äußern. Fromms Sozio-Psychoanalyse war eine radikale Abkehr von der Freud'schen Psychoanalyse und hat wichtige Auswirkungen darauf, wie Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker in ihrer therapeutischen Arbeit gesellschaftliche Themen ansprechen können. Roger Frie analysiert Fromms Forschung über Autoritarismus und rassistischen Narzissmus und befasst sich dann mit den Auswirkungen des systemischen Rassismus in der Gegenwart. Wie Fromm beschäftigt sich Frie mit der Frage, wie die Psychoanalyse von Gesellschaft und Kultur geprägt ist. Dabei bezieht er sich auf seine Arbeit als praktizierender Psychoanalytiker in Kanada, um die dortige rassistische Diskriminierung indigener Patienten zu thematisieren und zu ergründen. Er fragt danach, wie das therapeutische Setting in die umfassenderen Strukturen des systemischen Rassismus verwickelt ist.
Roger Frie ist derzeit DAAD-Gastdozent an der Internationalen Psychoanalytischen Universität. Er ist Professor für Pädagogik an der Simon Fraser University und Affiliate Professor für Psychiatrie an der University of British Columbia, Vancouver. Außerdem ist er psychoanalytischer Dozent und Supervisor am William Alanson White Institute und assoziiertes Mitglied des Columbia University Seminar on Culture Memory in New York. Roger hat zahlreiche Veröffentlichungen und Vorträge zu den Themen historisches Trauma, kulturelles Gedächtnis und menschliche Interaktion gehalten und ist Autor des preisgekrönten Buches Not in My Family: German Memory and Responsibility After the Holocaust. [Dt. Übersetzung: Nicht in meiner Familie. Deutsches Erinnern und die Verantwortung nach dem Holocaust (Brandes & Apsel Verlag, 2021)].
Vortrag von Dr. Rainer Funk
Spätestens seit dem Abschluss der Ausbildung zum Psychoanalytiker 1930 in Berlin identifizierte sich der promovierte Soziologe Erich Fromm als Psychoanalytiker, dessen Hauptprofession bis zu seinem Lebensende die klinisch-therapeutische Anwendung der Psychoanalyse war. Sein erkenntnisleitendes Interesse war dabei die gesellschaftliche Prägung der vielen Einzelnen. Dieses Interesse führte ihn zu einem relationalen Ansatz und zum Konzept des Sozialcharakters, das den Erfordernissen des Zusammenlebens gerecht wird und viele Menschen bewusst und unbewusst ähnlich denken, fühlen und handeln lässt.
Welche Bedeutung diese psychische Strukturbildung des Sozialcharakters für das Verhalten der Vielen hat und welche pathogenen Effekte von ihm ausgehen, wird an zwei Orientierungen illustriert: dem „autoritären Charakter“ und dem mit der digitalen Revolution dominant gewordenen „ich-orientierten Charakter“. Bei Letzterem wird dann auch aufgezeigt, wie sich dieser Sozialcharakter im psychotherapeutischen Setting, in Übertragung und in Gegenübertragung manifestiert.
Rainer Funk (geb. 1943), Psychoanalytiker in Tübingen, promovierte über Fromm, war sein letzter Assistent und verwaltet seinen Nachlass (Erich Fromm Institut in Tübingen) und seine Rechte. Neben seiner Herausgebertätigkeit (u.a. eine Gesamtausgabe von Fromm in 12 Bänden in Printform und als E-Book) und zahlreichen Publikationen über Fromm forschte er zur Psychoanalyse des gegenwärtigen Menschen (Ich und Wir, 2005; Der entgrenzte Mensch, 2011). Seit 2013 ist er Lehrbeauftragter an der IPU.