50 Jahre „Der gewöhnliche Homosexuelle“

Ein Gesprächsabend mit Martin Dannecker und Reimut Reiche


„Der gewöhnliche Homosexuelle“ (1974) war als erste umfassende sexualwissenschaftliche Erhebung zum Leben homosexueller Männer in der BRD in vielen Hinsichten ein bahnbrechendes Werk. Auf der Basis von mehr als 700 Fragebögen, die über Kontaktpersonen an homosexuelle Männer in unterschiedlichen Milieus verteilt wurden, zeichneten die Autoren der Studie ein umfassendes Bild vom Leben und der Sexualität homosexueller Männer in den frühen 70er Jahren. Die psychoanalytisch informierte Interpretation der Befunde widersprach dabei nicht nur den damals noch einflussreichen psychoanalytischen Theorien, die Homosexualität als Lebensform pathologisierten. Sie wies auch auf die desaströsen psychischen Folgen der gesellschaftlichen Stigmatisierung von Homosexuellen hin. Nicht zuletzt kann „Der gewöhnliche Homosexuelle“ dabei als solidarische Kritik an der homosexuellen Subkultur verstanden werden, die die Zwänge einer homosexuellenfeindlichen Kultur mitunter auf kollektivneurotische Weise fortgeschrieben habe.

Beim Gesprächsabend mit den beiden Autoren der Studie sollen die Entstehungsgeschichte von „Der gewöhnliche Homosexuelle“ beleuchtet sowie zentrale Ergebnisse in Erinnerung gerufen und neu diskutiert werden. Letztlich soll damit auch der Frage nachgegangen werden, was von der 50 Jahre alten Studie für eine heutige psychoanalytisch informierte Sexualforschung gelernt werden kann.

Moderation: Aaron Lahl
 

Martin Dannecker, Prof. Dr. phil., war bis 2005 als Professor und stellvertretender Direktor im Institut für Sexualwissenschaft in Frankfurt am Main tätig. Zahlreiche sexualwissenschaftliche Publikationen, insbesondere zur männlichen Homosexualität, u.a.: Der Homosexuelle und die Homosexualität (1978), Der homosexuelle Mann im Zeichen von Aids (1991), Vorwiegend homosexuell (1997), Faszinosum Sexualität (2017), Fortwährende Eingriffe: Aufsätze, Vorträge und Reden zu AIDS und HIV aus vier Jahrzehnten (2019).

Reimut Reiche, Priv.-Doz. Dr. phil., war von 1973 bis 1982 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Frankfurter Institut für Sexualwissenschaft und bis 2020 als Psychoanalytiker und Lehranalytiker der DPV tätig. Zahlreiche Veröffentlichungen im Grenzbereich von Psychoanalyse, Soziologie, Sexual-/Geschlechterforschung und Ästhetik, u.a.: Geschlechterspannung (1990), Triebschicksal der Gesellschaft (2004), Mutterseelenallein: Kunst, Form und Psychoanalyse (2001), Mutterseelenallein #2: Das Tabu der Schönheit in Kunst und Psychoanalyse (2011).

Informationen und Anmeldung


Wann? 31. Mai 2024, 19 Uhr (s.t.)

Wo? Hörsaal 4 (91b-04), 2. Etage, Alt-Moabit 91b, 10557 Berlin

Die Veranstaltung ist ausgebucht.